Tag 2: Von Gap LFNA über Le Castellet LFMQ nach Propriano LFKO
Dieser Tag sollte der spannendste der ganzen Woche werden! Zum einen ist das Wetter nicht optimal, zum anderen stehen mir anderthalb Stunden Flug über's offene Meer bevor! Das nötigt mir einen sich durch eine gewisse Nervosität ausdrückenden Respekt ab, das muss ich zugeben!
Ich muss am Morgen ein ganz bestimmtes Zeitfenster "treffen", denn der Wetterbericht sagt für den späten Vormittag ein von Osten über die Seealpen ins Durance-Tal hineinziehendes starkes Gewitter voraus. Und bis Le Castellet soll der Himmel auch noch von Wolken bedeckt sein. Erst danach und über dem Wasser soll es dann schönes Wetter mit wenig Wind "auf der Schnauze" werden. Aber zum Glück weiß mein Flieger nicht, dass wir über Wasser fliegen...
Die erste gute halbe Stunde verläuft planmäßig, Ich kann das Durance-Tal noch richtig genießen, die Ceiling (Wolkenuntergrenze) ist noch deutlich über mir, und die Visibility (Sicht) beträgt locker 15-20 km. Dann hängt kurz vor Aix-en-Provence plötzlich eine dicke Wolkenwand vor dem 1.000m hohen Sainte-Victoire-Gebirge, ein weißes Kalksteinmassiv, vor dem sich nun alle Wolken versammelt haben, als wollten sie sich mir absichtlich in den Weg stellen.
Nach ein paar Versuchen, die Wolken zu umfliegen, stelle ich fest: Das funktioniert nicht. Es gibt nur einen Weg: Drüber her! Das ist immer ein kleines Risiko, weil man ja nicht weiß, ob es später tatsächlich Wolkenlücken gibt, durch die man wieder absteigen kann. Und "Sichtflug" in Wolken geht nun mal nicht und ist deshalb auch verboten. Den Überflug zeigt dieses kurze Video in 4facher Geschwindigkeit.
Aber der Wetterbericht sollte Recht behalten: In Le Castellet scheint die Sonne. An diesem tollen Airport, in dessen unmittelbarer Nähe am übernächsten Wochenende das F1-Rennen stattfindet, checke ich nochmal den Flieger, das Wetter und meinen bereits am Vorabend bei der Flugsicherung aufgegebenen Flugplan, der hier trotz "Inlandsflug" vorgeschrieben ist. Meiner Nervosität ist es wohl auch zuzuschreiben, dass ich meine Außenkamera nicht überprüft habe, deshalb habe ich von der Ankunft auf Korsika leider keine Außenfotos.
Es gibt vor der Küste Südfrankreichs eine Reihe von Transit-Strecken, sowohl für Flüge entlang der Küste als auch für solche hinüber nach Korsika. Letztere führen mich in einem weitem Rechtsbogen über das Meer. An der im Foto dargestellten Stelle sieht man trotz 30-40 km Sicht kein Land ringsherum. In regelmäßigen Abständen passiere ich "Pflichtmeldepunkte", die ich gegenüber dem Lotsen reporten muss. Erst ist es Marseille, dann Nizza und schließlich Ajaccio. Ich habe neben der Schwimmweste am Körper eine ganze Reihe von Sicherheitsmaßnahmen getroffen, die ich im "Falle eines Falles" nach einer Notfall-Liste abarbeite. Den "Track-Vektor", den man hier vor dem Flugzeug-Symbol sieht, symbolisiert die nächsten 30 min Flugzeit. Und wenn man bedenkt, dass ich mit ca. 200 km/h unterwegs bin, bekommt man eine Vorstellung davon, wie weit das ist.
Und dann - endlich! - kommt Korsika in Sicht. Ab hier bin ich aber immer noch eine halbe Stunde unterwegs!
Das ist die Bucht von Cargèse, hier ist mein Adrenalinspiegel wieder auf normale Werte gesunken!