nobbo
aus Wittgenstein
- Registriert
- 24 Februar 2007
- Wagen
- BMW Z4 e85 roadster 2,2i
Im Märchen, sagen die Leute, siegt das Gute, und das Böse wird bestraft, und am Schluss hat alles seine Ordnung. Man muss nicht alles glauben, was die Leute sagen. Man muss selber nachdenken. Zum Beispiel über Rumpelstilzchen. Das hat mir immer leid getan.
Denn wie ist es ihm ergangen? Da hat es der Müllerstochter geholfen, die in eine Kammer voll Stroh gesperrt worden war und das Stroh zu Gold spinnen sollte, nur weil sie einen verlogenen Vater hatte, der behauptete, sie könne das. Nichts konnte sie außer weinen und klagen und dem Rumpelstilzchen zuerst ein Halsband und dann einen Ring geben zum Dank dafür, daß Rumpelstilzchen das ganze Stroh zu Gold gesponnen hatte. Man muss sich das mal vorstellen - eine ganze Kammer voll Stroh spinnt Rumpelstilzchen zu Gold und bekommt dafür ein Ringlein - das hätte es sich in zehn Minuten mühelos selbst gesponnen!
Und als die Müllerstochter nichts mehr zu vergeben hatte und trotzdem wollte, dass Rumpelstilzchen für sie arbeitete, weil sie darauf aus war, Frau Königin zu werden, da versprach sie dem Rumpelstilzchen ihr erstes Kind. Versprochen ist versprochen und schon so gut wie geschenkt - oder etwa nicht? Nicht für eine Müllerstochter, die dann Königin wird. Als es soweit war, wollte sie sich drücken, und das nette Rumpelstilzchen gab ihr sogar eine Chance - seinen Namen sollte sie herausfinden, dann könnte sie das Kind behalten. Noch nicht einmal darum hat sich die ehemalige Müllerstochter und jetzige Königin ehrlich bemüht. Sie setzte sich nicht in eine Bücherei und schlug nach, welche Namen es gibt, sie fragte nicht selbst herum - sie schickte einfach Boten aus, die den Namen von Rumpelstilzchen herausbekommen sollten. Und das gelang auch - aber mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun - sie fragte ganz hinterhältig: "Heißt du etwa Rumpelstilzchen"? Und das erkannte Rumpelstilzchen riss sich vor Wut selbst mitten entzwei.
Dabei kann man sich leicht vorstellen, dass alles viel besser und gerechter hätte enden können.
Dieses Rumpelstilzchen war ein einsamer Wicht, "ein lächerliches Männchen" wird es im Märchen genannt, aber beim Goldspinnen war es nicht lächerlich, da wurde es gebraucht! Was das Männchen an Arbeit vollbrachte, das war ein Königreich wert, und es ist anzunehmen, dass Rumpelstilzchen das wusste. Aber glücklich war es deshalb nicht. Es wollte etwas Lebendiges haben, einen Freund, einen Menschen, der mit ihm lachte und mit ihm traurig war, der ihm "guten Appetit" vor dem Essen wünschte und hinterher fragte: "Hat es geschmeckt"? Deshalb wollte das Rumpelstilzchen das Königskind haben, damit es von nun an nicht mehr alleine war.
Natürlich mag keine Mutter ihr Kind weggeben, insofern ist die Königin zu verstehen. Aber wäre sie ein bisschen gescheiter gewesen, ein bisschen gerechter und ein bisschen liebevoller zu denen, die es verdienten, dann hätte sie gesagt: "Mein Kind kann ich dir nicht geben, denn es gehört allein sich selbst. Aber warum willst du nicht mit uns leben - mit meinem Kind, mit mir und dem König? Zusammen könnten wir alle eine Menge unternehmen, du sollst mal sehen, wie lustig das wird!" Da hätte sich das Rumpelstilzchen erst blass und dann rot gefreut, es wäre auf einen Stuhl geklettert und hätte der Königin einen Kuss auf die Backe gegeben und dem König einen auf die Krone
- Ehre, wem Ehre gebührt - und es hätte dem Königskind ein Rumpelstilzchenlied zum Einschlafen und ein anderes zum Aufwachen gesungen. Und sie wären glücklich miteinander gewesen, bis ans Ende ihrer Tage. So aber, wie's im Märchen steht, ist das keine Gerechtigkeit.
(Irmela Brender)
Denn wie ist es ihm ergangen? Da hat es der Müllerstochter geholfen, die in eine Kammer voll Stroh gesperrt worden war und das Stroh zu Gold spinnen sollte, nur weil sie einen verlogenen Vater hatte, der behauptete, sie könne das. Nichts konnte sie außer weinen und klagen und dem Rumpelstilzchen zuerst ein Halsband und dann einen Ring geben zum Dank dafür, daß Rumpelstilzchen das ganze Stroh zu Gold gesponnen hatte. Man muss sich das mal vorstellen - eine ganze Kammer voll Stroh spinnt Rumpelstilzchen zu Gold und bekommt dafür ein Ringlein - das hätte es sich in zehn Minuten mühelos selbst gesponnen!
Und als die Müllerstochter nichts mehr zu vergeben hatte und trotzdem wollte, dass Rumpelstilzchen für sie arbeitete, weil sie darauf aus war, Frau Königin zu werden, da versprach sie dem Rumpelstilzchen ihr erstes Kind. Versprochen ist versprochen und schon so gut wie geschenkt - oder etwa nicht? Nicht für eine Müllerstochter, die dann Königin wird. Als es soweit war, wollte sie sich drücken, und das nette Rumpelstilzchen gab ihr sogar eine Chance - seinen Namen sollte sie herausfinden, dann könnte sie das Kind behalten. Noch nicht einmal darum hat sich die ehemalige Müllerstochter und jetzige Königin ehrlich bemüht. Sie setzte sich nicht in eine Bücherei und schlug nach, welche Namen es gibt, sie fragte nicht selbst herum - sie schickte einfach Boten aus, die den Namen von Rumpelstilzchen herausbekommen sollten. Und das gelang auch - aber mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun - sie fragte ganz hinterhältig: "Heißt du etwa Rumpelstilzchen"? Und das erkannte Rumpelstilzchen riss sich vor Wut selbst mitten entzwei.
Dabei kann man sich leicht vorstellen, dass alles viel besser und gerechter hätte enden können.
Dieses Rumpelstilzchen war ein einsamer Wicht, "ein lächerliches Männchen" wird es im Märchen genannt, aber beim Goldspinnen war es nicht lächerlich, da wurde es gebraucht! Was das Männchen an Arbeit vollbrachte, das war ein Königreich wert, und es ist anzunehmen, dass Rumpelstilzchen das wusste. Aber glücklich war es deshalb nicht. Es wollte etwas Lebendiges haben, einen Freund, einen Menschen, der mit ihm lachte und mit ihm traurig war, der ihm "guten Appetit" vor dem Essen wünschte und hinterher fragte: "Hat es geschmeckt"? Deshalb wollte das Rumpelstilzchen das Königskind haben, damit es von nun an nicht mehr alleine war.
Natürlich mag keine Mutter ihr Kind weggeben, insofern ist die Königin zu verstehen. Aber wäre sie ein bisschen gescheiter gewesen, ein bisschen gerechter und ein bisschen liebevoller zu denen, die es verdienten, dann hätte sie gesagt: "Mein Kind kann ich dir nicht geben, denn es gehört allein sich selbst. Aber warum willst du nicht mit uns leben - mit meinem Kind, mit mir und dem König? Zusammen könnten wir alle eine Menge unternehmen, du sollst mal sehen, wie lustig das wird!" Da hätte sich das Rumpelstilzchen erst blass und dann rot gefreut, es wäre auf einen Stuhl geklettert und hätte der Königin einen Kuss auf die Backe gegeben und dem König einen auf die Krone
- Ehre, wem Ehre gebührt - und es hätte dem Königskind ein Rumpelstilzchenlied zum Einschlafen und ein anderes zum Aufwachen gesungen. Und sie wären glücklich miteinander gewesen, bis ans Ende ihrer Tage. So aber, wie's im Märchen steht, ist das keine Gerechtigkeit.
(Irmela Brender)
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