Projekt "Lüftungsampel"

Zfahrer2.0

macht Rennlizenz
Registriert
23 Juni 2017
Ort
Bremen
Wagen
BMW Z4 e85 roadster 2,0i
Moin, ich wollte mein Projekt "Lüftungsampel" einmal vorstellen.
Wer Probleme mit zu hoher Luftfeuchtigkeit oder Schimmel in Keller oder Wohnräumen hat, für den ist das vielleicht interessant. Für alle anderen maximal als Spielerei:)

Problem

Zu hohe Luftfeuchtigkeit im Haus
Häufig ist die Luftfeuchtigkeit in Häusern und Wohnungen zu hoch. Ab 60-65% gilt die Luftfeuchtigkeit als zu hoch und die Schimmelgefahr steigt. Dies kann z.B. Keller oder auch Wohnräume betreffen. Mögliche Ursachen gibt es viele:
  • Wenig beheizte und wenig belüftete Räume, z.B. Keller
  • Falsches Lüftungsverhalten, z.B. „auf Kipp“ lüften oder zum falschen Zeitpunkt lüften
  • Feuchte Umgebung am Wohnort, z.B. in Walgebieten, an moorigen oder windgeschützten Orten
Auch wir haben damit zu kämpfen, da an unserem Wohnort durch die geografischen Gegebenheiten die Luft draußen häufig eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit hat.
Wenn man nach einer Lösung für das Problem sucht, wird immer derselbe Ratschlag gegeben: „Richtig lüften“. Gemeint ist damit „Stoßlüften“, also alle Fenster ganz auf und die komplette Raumluft schnell austauschen.
Das ist aber nur die halbe Wahrheit! Denn was ist, wenn die Luft außerhalb vom Haus feuchter ist als die Luft im Haus? Wenn man dann lüftet, steigt die Luftfeuchtigkeit im Haus sprunghaft an und man verschlimmert das Problem.

Lösung

Wichtig ist also nicht nur das „richtige Lüften“, sondern auch der richtige Zeitpunkt zum Lüften.
Um den richtigen Zeitpunkt zu treffen, muss man zunächst den Unterschied zwischen relativer und absoluter Luftfeuchtigkeit verstehen:
  • Relative Luftfeuchtigkeit
    Die relative Luftfeuchtigkeit gibt an, wieviel Feuchtigkeit die Luft im Verhältnis zum maximal möglichen Wert enthält.
    Luft kann nur begrenzt Feuchtigkeit aufnehmen. Wieviel Feuchtigkeit die Luft aufnehmen kann, ist von der Temperatur der Luft abhängig. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann die Luft aufnehmen.
  • Absolute Luftfeuchtigkeit
    Gibt die tatsächliche Menge an Wasser an, die 1 m³ Luft enthält.
Beispiel:
  • Drinnen: Temperatur 20 °C, rel. Luftfeuchtigkeit 60%
    -> ergibt eine abs. Luftfeuchtigkeit von 10,4 g/m³
  • Draußen: Temperatur 26 °C, rel. Luftfeuchtigkeit 50%
    -> ergibt eine abs. Luftfeuchtigkeit von 12,2 g/m³
Augenscheinlich ist es draußen trocken und warm. Aber würde man jetzt lüften, holt man sich mehr Feuchtigkeit ins Haus. Nach dem Lüften würde sich die Luft von draußen auf Raumtemperatur abkühlen und 12,2 g/m³ Wasser in 20 °C warmer Luft würde eine neue relative Luftfeuchtigkeit von 70 % im Inneren ergeben.
Fazit: Für den richtigen Zeitpunkt zum Lüften ist ausschließlich das Verhältnis der absoluten Luftfeuchtigkeit zwischen der Luft draußen und der Luft drinnen entscheidend! Sofern die absolute Luftfeuchtigkeit draußen geringer ist als drinnen, kann man lüften. Egal, wie warm oder kalt es draußen ist.

Leider zeigen alle preiswerten Wetterstationen und Hygrometer nur die Temperatur und die relative Luftfeuchtigkeit an. Damit muss man dann in einer Tabelle die absolute Luftfeuchtigkeit ermitteln. Und das für Innen und Außen und anschließend die Werte vergleichen. Und das alles jedes Mal, bevor man lüften möchte.
Das ist umständlich. Also habe ich begonnen, dieses Vorgehen ein wenig zu automatisieren.

Umsetzung

Ich wollte ein kleines, simples Gerät, was mir die Berechnung der absoluten Luftfeuchtigkeit abnimmt und mir visuell nach dem Ampelsystem anzeigt, ob ich lüften kann.
Hierfür ist ein kleiner Mikrocontroller wie gemacht. Ich habe mich für einen Mikrocontroller von M5Stack entschieden, dieser kommt bereits mit Display und schickem Gehäuse. Auf dem Mikrocontroller läuft ein Arduino-Programm.
Über die I2C-Schnittstelle habe ich zwei digitale Sensoren angeschlossen, welche jeweils drinnen und draußen die Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit messen. Der Sensor für draußen ist dabei wetterfest und für den Außenbereich geeignet.
Der Mikrocontroller berechnet aus den Messwerten die absolute Luftfeuchtigkeit und zeigt alle Werte übersichtlich auf dem Display an.
Das Intervall, in dem die Messwerte auf dem Display aktualisiert werden, kann beliebig eingestellt werden. Bei mir steht das Intervall aktuell auf 30 Sekunden.

Ampel für Lüften

Im unteren Bereich des Displays ist ein Statusbalken, der in Abhängigkeit vom Verhältnis der absoluten Luftfeuchtigkeit innen und außen folgende Farben zeigt:
  • Rot: Die Luft draußen ist feuchter als drinnen. --> Nicht lüften!
  • Gelb: Die Luft draußen und drinnen ist ähnlich feucht. --> Man kann lüften, um „frische“ Luft reinzubekommen, aber die rel. Luftfeuchtigkeit wird sich nicht verringern.
  • Grün: Die Luft draußen ist trockener als drinnen. --> Lüften!
Die scheckigen Farben liegen übrigens an der Handykamera.
20250525_091705_rot.jpg 20250518_120008.jpg 20250518_114315_gruen.jpg

So sieht man schon von Weitem, ob man die Fenster aufmachen kann oder nicht, ohne mühsames Rechnen und Vergleichen.

Warnlampen bei Schimmelgefahr

Dazu habe können optional noch zwei „Warnlampen“ angezeigt werden, wenn drinnen die rel. Luftfeuchtigkeit einen frei wählbaren Grenzwert überschreitet, beispielsweise 60%. Denn für das menschliche Wohlbefinden und Schimmelgefahr ist nur die relative Luftfeuchtigkeit im Raum relevant. Die Warnlampen sollen darauf aufmerksam machen, dass bei Aufleuchten dringend gelüftet oder ein Luftentfeuchter eingeschaltet werden sollte, falls Lüften nicht möglich ist.

warnung_grenzwert_RH_innen_klein.png

Displayhelligkeit

Als kleines Gimmick habe ich noch einen Umgebungslichtsensor angeschlossen, um die Displayhelligkeit in Abhängigkeit von der Helligkeit im Raum zu regeln. So erleuchtet das Display bei Nacht nicht das ganze Zimmer und wird automatisch gedimmt, wenn es im Raum dunkel wird.

Hardware

Und so sieht die fertige Lösung aus:
setup_klein.png aussensensor_klein.png

Alle Sensoren werden zunächst an einen Hub angeschlossen und vom Hub geht dann ein Kabel zum Mikrocontroller. Die Kabel man noch beliebig schön verstecken. Der Sensor für draußen hat eine Kabellänge von 1 m, die angepasst werden kann. Alle anderen Kabel gibt es vorkonfektioniert in Längen von 50 cm bis 200 cm.
Meine smarte Steckdose hat einen Stromverbrauch von < 1 W angezeigt, also vernachlässigbar.

Größenvergleiche mit Euro-Münze:
Mikrocontroller mit Display || Hub mit Umgebungslichtsensor || Temperatur- und Feuchtigkeitssensor für Innen
20250525_095200.jpg 20250518_120159.jpg 20250518_120122.jpg


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... Fortsetzung:

Daten auf dem Smartphone

Wenn sich der Mikrocontroller im Keller befindet oder man unterwegs die Daten checken will, ist die reine Displayanzeige nicht optimal. Daher kann der Mikrocontroller mit dem WLAN verbunden werden und die Daten per MQTT senden.
Für die Anzeige habe ich Dashboards konfiguriert, die mit Smartphone/Tablet/Laptop von überall aufgerufen werden können. So kann man auch im Urlaub schauen, ob alles in Ordnung ist und ggf. per smarter Steckdose einen Luftentfeuchter anschalten.

Smartphone quer gehalten:
Screenshot_20250524_134539_Chrome.jpg

Smartphone normal gehalten:
Screenshot_20250524_135144_Chrome.jpg Screenshot_20250525_103144_Chrome.jpg

Die Ampeln vor den Texten werden analog zur Anzeige auf dem Display geschaltet.
Gleichzeit werden die Daten bis zu 30 Tage gespeichert und lassen sich so bei Bedarf weiter auswerten – beispielsweise im zeitlichen Verlauf grafisch darstellen.
Gut zu erkennen die Kerben im Diagramm der relativen Luftfeuchtigkeit drinnen – das sind die Zeitpunkte, an denen gelüftet wurde. Oder wer sich für die Tiefsttemperatur der vergangenen Nacht interessiert, kann auch dies nachschauen.

Der Verbindungsstatus wird mit einem kleinen Punkt oben rechts im Display angezeigt:
  • kein Punkt: keine Verbindung
  • weißer Punkt: WLAN verbunden
  • blauer Punkt: WLAN und MQTT verbunden
verbindungsstatus.png

Wer das alles nicht möchte, kann WLAN und das Senden der Daten auch deaktivieren.

Kosten

Die reinen Materialkosten betragen ca. 115 € (Stand Mai 2025).

Ausblick

Man kann das Ganze jetzt noch beliebig weiter ausbauen. Beispielsweise abhängig von den Werten automatisch Fenster öffnen oder Geräte wie smarte Steckdosen, Lüfter oder Luftentfeuchter einschalten. Aber für mich ist das Projekt an diesem Punkt erstmal abgeschlossen.

Für wen eine Lüftungsampel interessant ist oder wer mehr darüber wissen möchte, kann sich gerne bei mir melden.
 
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