AW: Redewendungerklärungsanfragethema
Ich würde sagen, im Regelfall fällt das in die Kategorie "leere Drohung" und erfüllt zwei Ansprüche:
1) Dem Aussprechenden, dem im Regelfall vorher etwas Unangenehmes widerfahren ist, verschafft es eine gewisse innere Befriedigung (die Engländer treffen das sehr gut mit "getting one's own back"), und zwar weil auch der zweite Anspruch erfüllt wird:
2) Der Angesprochene wird sich an diesen Spruch erinnern, wenn er an die jeweilige Situation denkt, und dabei immer ein ungutes Gefühl haben, weil er weder ganz sicher ist, wie er die Drohung verstehen soll, noch ganz sicher ist, ob er denjenigen nicht wirklich trifft.
Beispiel:
Franz, 24, Maschinenbaustudent, hat bei Ebay einen gebrauchten Golfschläger ersteigert, den er abholen will. In der Straße, in der der Verkäufer wohnt, findet er keinen Parkplatz und beschließt deshalb, mit seinem Skoda Fabia in der Einfahrt gegenüber stehenzubleiben, weil er ja "nur kurz" den Schläger abholen will.
Manfred, 56, frühpensionierter Gymnasiallehrer mit Fachkombination Erdkunde und Physik, gehört das Grundstück mit der Einfahrt. Er würde gerne zu seinem Schrebergarten fahren, um die Tomaten zu gießen. Er öffnet also das Tor, sieht den Fabia und - nein, flucht nicht, sondern freut sich, weil er seine Chance wittert, die Welt zu verbessern. Er ruft den Abschleppdienst.
In der Zwischenzeit hat Franz herausgefunden, dass der Verkäufer des Golfschlägers, Josef, 34, Markisenreparateur in der Firma von Franz' Onkel Herbert, ein wirklich netter Kerl ist, und bei einem Kaffee quatschen sie ein bisschen über Herbert, das Golfen und die neue Eisdiele im Ort. Der falsch geparkte Fabia ist völlig vergessen.
Manfred ist in der Zwischenzeit nervös geworden, weil auch zwanzig Minuten später der Abschleppdienst nicht da ist. Er überlegt, bei wem er sich über den Abschleppdienst beschweren soll, als Franz aus der Tür gegenüber kommt, den Golfschläger geschultert, und zu seinem Fabia geht, hinter dem er den mittlerweile blutrot angelaufenen Manfred erblickt. Schlagartig wird ihm klar, dass er einen Fehler gemacht hat, und bevor Manfred anfangen kann zu sprechen, beginnt er sich zu entschuldigen. Nichtsdestotrotz teilt ihm Manfred mit, was er von der heutigen Jugend hält, dass Verkehrsrowdies wie Franz für die unsicheren Verhältnisse in Deutschland verantwortlich sind und dass es zu seiner Zeit eine so laxe Erziehung nicht gegeben hätte. Franz sagt ihm, dass es ihm wirklich leid tut, woraufhin Manfred ihm mitteilt, dass er sich sein Kennzeichen notiert habe und Anzeige bei der Polizei erstatten werde, sowie den Abschleppdienst anweisen werde, die Kosten für die erfolglose Fahrt bei Franz einzutreiben. Franz' Blick fällt auf Manfred's Jägerzaun, den angelnden Gartenzwerg und den perfekt polierten zwölf Jahre alten Mercedes E190 hinter dem Tor, und ihm wird klar, dass er mit freundlichen Worten keine Chance hat. Er knurrt "Man sieht sich immer zweimal im Leben", legt den Golfschläger in den Kofferraum und fährt von dannen.
An dieser Stelle ist Franz sicher, dass Manfred bemerkt hat, dass er den Golfschläger absichtlich hin- und hergefuchtelt hat, und dass er ihn damit und mit dem Spruch soweit einschüchtern konnte, dass er ihn nicht mehr anzeigen wird. Manfred hat in der Tat ein ungutes Gefühl in der Magengegend bekommen.
Weil Manfred sich dann doch ein bisschen beruhigt, sich aber Sorgen macht wegen des Golfschlägers, den er nicht als Sportgerät, sondern als Einbruchswerkzeug interpretiert hat (Manfreds letzte sportliche Betätigung war 1989, als er mit dem Fahrrad zum Grab seiner Mutter gefahren ist), beschließt er, zu seinen Tomaten zu fahren - so kann ihn wenigstens der Abschleppdienst nicht vor Ort behelligen.
Und damit wäre die Geschichte beendet, wenn nicht...:
Drei Wochen später ist Manfred auf dem Rückweg vom Schrebergarten, wo er diesmal war, um den Jägerzaun dort neu zu streichen. Leider beschließt, ausgerechnet an der gefährlichen Bundesstraße, kurz vor der Kurve, wo man nur 70 fahren darf und manchmal einer trotz Überholverbot an einem Traktor vorbeifährt, sein Mercedes E190, dass er nicht mehr mag. Manfred steht also am Seitenstreifen und versucht, den ADAC zu erreichen - schließlich hat er ja 28 Jahre seinen Mitgliedsbeitrag bezahlt und erwartet, dass dann auch sofort ein Mechaniker zu ihm kommt. Dummerweise hat Manfred die PIN seines Handys vergessen, dass er ja auch nur für Notfälle dabei hat und deswegen in den letzten vier Monaten, also seit dem letzten Aufladen, nicht benutzt hat. Also steht er am Straßenrand, winkt verzweifelt und hofft, dass jemand anhält, bevor die Dämmerung voll einsetzt.
Franz ist zu dieser Zeit auf dem Weg zu seinem Kommilitonen Erik, mit dem er auf die Klausur lernen will. Er ist gut gelaunt - seine Freundin kommt morgen, seine Studentenbude ist bereits geputzt, er hat eingekauft und freut sich darauf, morgen mit ihr zu kochen. Als er den Mercedes am Straßenrand stehen sieht, bremst er seinen Fabia ab und beschließt, dem armen Teufel, der dort eine Panne hat, zu helfen, falls er kann. Erst als er aussteigt, merkt er, dass es Manfred ist, der neben dem Wagen steht.
... und das ist genau die Situation, die der Spruch heraufbeschwören soll.