Flirrende Hitze in der Abenddämmerung, Pinienwälder, irgendwo in der Toskana. Etwas Pasta, eine Flasche Ornellaia, allein oder in netter Begleitung. Wer würde da nicht schwach werden? Man spürt förmlich die Hitze, die über den Feldern liegt, wie sie schon eindringlich von Guareschi beschrieben wurde.
Doch es gibt auch eine passende Alternative, oder am besten eine Ergänzung, bevor man sich mit Wein und Begleitung auf die abendliche Terasse zurückzieht. Eine Rundfahrt mit dem kleinen Roten, um die Schweißperlen standesgemäß in horizontaler Richtung von der Haut zu entfernen.
In einem Rennteam gibt es immer wieder interessante Dinge zu entdecken, dazu gehören auch die verschiedenen Privatautos der Fahrer. Und wenn sich dann die Gelegenheit auftut, einen Ferrari F430 Spider zu fahren, dann überlegt man nicht lange.
Es ist das erste Mal, dass ich einen Ferrari fahre, und ich überlege verzweifelt, ob ich nicht noch irgendwo knallgelbe oder rote Turnschuhe habe, damit ich beim Aussteigen nicht zu sehr auffalle. Immerhin hat die Lederjacke einen Armani-Aufnäher, auch wenn sie eher britisch wirkt.
Beim Einsteigen stelle ich sofort fest, dass alle Filmszenen, in denen der Held locker in einen Ferrari Spider springt, ohne die Tür zu öffnen, mit Autos ohne Lenkräder gedreht sein müssen.
Das Lenkrad steht doch recht tief, und es erfordert eine wiesmann'sche Gelenkigkeit, um den zum Fahren einigermaßen wichtigen Gasfuss in die richtige Stellung zum entsprechenden Pedal zu bringen. Das Cockpit ist beeindruckend, allein schon das Manettino-Drehrad mit den fünf Stellungen "Winter - Rеgen - alter Sack - weißt Du auch, was Du tust - Michael Schumacher" flößt Ehrfurcht ein. Die feststehenden Schaltwippen am Lenkrad sind nicht so mein Fall, aber es geht dann beim Fahren ganz ordentlich. Der Tachometer sitzt verschämt in der rechten Ecke, etwas zu verschämt für die Tatsache, dass am heutigen Tag ein Blitzermarathon durchgeführt wird. Es dominiert der wunderschöne gelbe Drehzahlmesser, der direkte Gradmesser für die Fahrfreude.
Der Sitz erinnert mich daran, dass ich meine Diät noch nicht erfolgreich abgeschlossen habe, und paßt sicher besser zu den schmalen Hüften eines Römers als zu mir. Außer der Längsverstellung habe ich keine Sitzverstellung gefunden, der Fehler liegt also bei mir, nicht beim Auto.
Durch Drücken der Taste "Engine Start" erwacht nicht nur der Motor, sondern unser ganzes Wohnviertel zum Leben. Sehr harmonisch schwingen einige Gardinen im Takt des röchelnden Achtzylinders, der im Kaltlauf kein Verständnis für niedrige Drehzahlen zeigt. Ein Zug am rechten Paddel, ein leichter Druck aufs Gaspedal. Die Geräuschkulisse steigt, aber nichts bewegt sich. Also etwas mehr Gas, und bevor ich ob der nun recht heftigen Lautstärke vor Scham erröten kann, habe ich die nächste Ecke erreicht. Interessant, dass mich gestern erst der Inhaber unseres Italieners an der Ecke (300 m entfernt) darauf ansprach, wie schön sich ein Ferrari beim Starten anhört...
Was macht nun die Faszination dieses Autos aus? Ist es einfach die Tatsache, dass es sich um einen Ferrari handelt? Über die äußere Form kann man geteilter Meinung sein, auf mich wirkt sie erstaunlich schlicht und funktionell. Das Auto schaut mich noch recht "gelassen" an, wenn ich an die Schwemme von "Angry Insect"-Looks denke, die heutige Familienkutschen prägt. Warum sollte er auch böse schauen? Als Ferrari hat er das ja gar nicht nötig. Glatte, einfache Linienführung prägt das Äußere, nur am Heck wird es dann etwas verspielt.
Ich würde gerne wissen, wie oft diese Heckleuchten zu Bruch gehen, sie schreien ja geradezu danach.
Und dann ist da natürlich noch der Blick auf den Stolz des Hauses, den Motor. Dieser Blick auf den Motor durch die Scheibe ist eine wunderbare Sache für Tölpel wie mich, die es trotz aller Anstrengung nicht schaffen, eine Öffnungsmöglichkeit für die Motorhaube zu finden.
Wenigstens bei der vorderen Haube kam ich da weiter und konnte sie von innen öffnen. Allein, die Mechanik des Fanghakens erschloss sich mir nicht, obwohl ich mir wirklich Mühe gab. Schnell drückte ich die Haube wieder zu, bevor ich mich vor einem herannahenden Spaziergänger vollständig zum Narren gemacht hätte.
Ein Ferrari ist ein Ferrari ist ein Ferrari. Nutzt man den Motor zu dem Zweck, zu dem er eingebaut wurde, fängt der Spaß an. Wer redet da noch von Bedienerfreundlichkeit. Langsames Fahren ist nicht sein Ding, allein schon wegen der Schaltung. Im Automatikmodus vollführt das Auto Schwingungen im Rhythmus einer Tarantella, wenn untertourig der Gang zu wechseln ist. Oder aber der Motor faucht wie eine im Schlaf gestörte Katze, wenn heruntergeschaltet werden muss, weil es unterhalb von 2.000 Umdrehungen nun mal wirklich nicht mehr anders geht. Bei manueller Schaltung ist es ganz anders, da schaukelt es genauso, aber nicht so kultiviert wie im Automatikmodus. Im "Race"-Modus geht es dann so, wie man es von einem Ferrari erwarten würde. Übrigens ist es mir zwei Mal gelungen, den Motor beim Anfahren im ersten Gang abzuwürgen, was mich dann doch etwas überrascht hat.
Das Auto ist sehr wendig und untersteuert noch weniger als ein geschmicklerter E89. Das Fahrgefühl ist sehr agil, aber gutmütig. Ist man im richtigen Drehzahlbereich, dann geht es mächtig vorwärts, auch in der Kurve. Dabei ist das Auto an der Grenze spielerisch leicht zu beherrschen, so dass es geradezu zur animierten Kurvenfahrt einlädt. Leider gab es keine Möglichkeit, das Auto auf dem Ring zu fahren (was ich ohne Genehmigung meines Freundes auch nicht gemacht hätte), aber vielleicht kommt das ja nochmal nächstes Jahr. Aber auch so war ein kontrollierter Drift kein Problem.
Der F430 ist aggressiv. Laut und flegelhaft. Schon beim geringsten Anlass trompetet er die Scheiben der näheren Umgebung zusammen, ohne dass es wirklich vorwärts geht. Geht es aber vorwärts, dann hofft man auf eine unendlich lange Drehzahlskala, damit der Sound nicht aufhört...
Es geht Faszination aus von diesem Auto, ganz gewiss. Niemand kann sich freisprechen von den Träumen, die sich mit einem Ferrari verbinden. Einmal durch Italien fahren, die "Bella Macchina"-Rufe genießen, den Klang eines unvergleichlichen Acht- oder Zwölfzylinders im Ohr. Eine Runde um den Gardasee oder aber in Monza, dieses Auto macht überall eine gute Figur.
Mir ist er zu laut, zu aggressiv, zu ungezogen. Doch genau das macht dieses Auto aus. Sowas fährt man mit Jeans, Zigarette im Mundwinkel, lauter italienischer Musik und passender Begleitung auf dem Beifahrersitz. Man steigt aus, lehnt sich lässig an sein Auto und diskutiert mit anderen wild gestikulierend über Fussball, Politik oder Frauen. Oder man genießt einen heißen Abend auf einer Terasse in der Toskana...
Und so endet die Probefahrt, wie sie begonnen hat: mit Gedanken an die italienische Lebensart, die sich in einem Ferrari mit all ihrer Unvernunft, Eleganz und Lebensfreude manifestiert. Noch ein Schluck Ornellaia, und ein Dank an meinen Freund, der mir die Freude der Probefahrt bereitet hat, auch wenn es nicht die Toskana, sondern nur die Felder rund um Wesseling waren.