Gibt es hier Arbeitsrechtler?

Bors

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Ich wende mich mit einer arbeitsrechtlichen Frage eines Bekannten an Euch.

Vorab :

Es ist mir klar, dass mir hier niemand eine verbindliche Rechtsberatung geben kann und wird. Diese wird evtl. bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht nachgeholt. Es würden mich aber die Meinungen von Forumskollegen interessieren, die sich in rechtlichen Belangen besser auskennen als ich, wie z.B. Rechtsanwälte, Betriebsratsmitglieder, Gewerkschaftler etc.

Mein Bekannter soll - wie all seine Kollegen auch - einen neuen Arbeitsvertrag erhalten. Hintergrund ist eine Vereinheitlichung der in den vergangenen Jahren mit den Mitarbeitern relativ unterschiedlich und willkürlich abgeschlossenen Verträge.

Klärungsbedarf gibt es nur bei folgender Passage:

In der ersten Fassung hieß es:

„Das Arbeitsverhältnis besteht seit dem 01.01.1990. In Abänderung zum bestehenden Vertrag tritt dieser Arbeitsvertrag rückwirkend ab dem 01.01.2011 in Kraft.“

In der aktuellen Fassung steht nun:

„Herr … ist seit dem 01.01.1990 als … im … beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 01.01.1990 mit allen Nachträgen und Nebenabreden wird aufgehoben und durch den folgenden neuen Arbeitsvertrag ersetzt, der rückwirkend ab dem 01.01.2011 in Kraft tritt.“

Dabei stellt sich uns die folgende Frage:

Ist die Abänderung eines bestehenden Vertrages im juristischen Sinne etwas Anderes als die Aufhebung eines Vertrages mit Ersetzung durch einen neuen?

Ich bin Euch für alle Hinweise dankbar!

Gruß

Kai
 
AW: Gibt es hier Arbeitsrechtler?

Der Thread wird sicher lustig... :X :+


Ein paar kurze, rein private und völlig unverbindliche Gedanken:

a) Wir reden hier über das Verständnis und ggf. die Auslegung von Vertragsklauseln. Dabei ist grundsätzlich der Kontext der in Rede stehenden Klausel zu betrachten. Betrachtet man nur die Klausel selbst, kann dies das Ergebnis verfälschen. Dies sozusagen als "Disclaimer" vorweg.

b) Die Abänderung eines Vertrags ist begrifflich grundsätzlich etwas anderes als dessen Aufhebung. Im ersteren Fall ändert man einzelne oder mehrere Klauseln des Vertrags, im Übrigen bleibt der Vertrag bestehen. Im zweiten Fall wird der Vertrag vollständig aufgehoben, wird also für die Zukunft unwirksam bzw. beendet.

Vorliegend ist eine Vertragsaufhebung mit gleichzeitigem Abschluss eines neuen Vertrags gemeint. Natürlich könnte man es vorliegend auch so sehen, dass alle Klauseln des bestehenden Vertrags abgeändert werden. Das ist aber unsinnig, weshalb man richtigerweise von einer Vertragsaufhebung mit gleichzeitigem Abschluss eines neuen Vertrags spricht.

c) Fazit des Vorgesagten ist es, dass die erste von dir, Kai, zitierte Formulierung rechtlich schlicht unpräzise ist, während die zweite Formulierung rechtlich korrekt ist. Man hätte die erste Formulierung z. B. auch so korrigieren können:

„Das Arbeitsverhältnis besteht seit dem 01.01.1990. In Aufhebung des bestehenden Vertrags tritt dieser Arbeitsvertrag rückwirkend ab dem 01.01.2011 in Kraft.“

Besser ist aber nach wie vor Formulierung 2. :)

Womöglich war die erste Formulierung der "erste Wurf", hiernach hat sich Jemand mit mehr Sachverstand den Vertragsentwurf angesehen und sodann die Formulierung präzisiert.

Viele Grüße
Jan
 
AW: Gibt es hier Arbeitsrechtler?

Hi,
ich bin kein Jurist, aber ich denke, ich war lange genug im Arbeitsleben und habe auch reichlich Unternehmensverschmelzungen mitgemacht. Daher meine bescheidene Ansicht zu dem formulierten Konstrukt.

Eine Aufhebung findet immer im beiderseitigen Einvernehmen statt. Das geschieht mit Unterschrift unter dem Vertrag mit der erwähnten Klausel. Die Aufhebung ist somit eine Vertragsklausel und für den Arbeitgeber eine Unverzichtbare noch dazu. Sollte es die gleiche Firma wie in der Vergangenheit sein, dann würde ich sehr genau prüfen lassen und ggf. keine Unterschrift leisten, sich ggf lieber kündigen lassen (Thema: Arbeitslosengeld - nach Kündigung keine Sperre). Ist jedoch eine gänzlich neue Firma "Rechtsnachfolgerin" geworden, dann ist es fast übliche Praxis, dass die neue Geschäftsführung bessere Konditionen für sich herausschlagen möchte und "Altlasten entsorgen".

Ein Vertragsänderung ist m.E. etwas anderes als eine Aufhebung. In dem hier vorliegenden Fall sind die 2 Maßnahmen miteinander verknüpft, so dass ich nicht mehr unbedingt von einer Vertragsänderungen reden würde. Das läuft auf einen kompletten "Neuvertrag" hinaus.

Die Aufhebung dient dazu, dass keinerlei Rechte mehr für die Zukunft abgeleitet werden können (Stichwort: Besitzstandswahrung). Und darüber ist nach über 20 Jahren "Besitzstand" schon genauer nachzudenken, welche evlt. neuen Nachteile man "annimmt" und welche Vorteile man damit aufgibt!

Allerdings wäre es fatal, jetzt nur anhand Deines "Abrisses" den gesamten Arbeitsvertrag zu beurteilen. Immerhin können im Nachgang diverser Paragrafen noch erheblichere Stolpersteine enthalten sein.

Meine persönliche Meinung, die Aufhebung dient ausschließlich zum Ausschluß jeglicher alter Besitzstände der Vergangenheit. Inwieweit auch der "Beginn des Beschäftigungsverhältnisses" berührt sein kann, vermag ich nicht zu beurteilen, weil der Vertrag an sich komplett geprüft sein können muss. Ich wäre sehr misstrauisch dem neuen Vertragskonzept gegenüber (richt verdammt nach "teure Altlasten" aus dem Unternehmen zu drängen)

Edit:
Upsala, Jan war mal schneller ;)
 
AW: Gibt es hier Arbeitsrechtler?

Bin kein Anwalt, so viel vorweg.

In Fall 1 würde ich ganz leihenhaft sagen, dass der alte Vertrag bestehen bleibt und er eine Anpassung in Form des neuen Vertrags bekommt. Die neuen Klauseln und Abmachungen sind ab 01.01.2011 wirksam.

In Fall 2 würde ich sagen, wird er quasi gekündigt, der alte Vertrag ist somit nichtig und der neue Vertrag wird nahtlos geschlossen - ebenfalls rückwirkend zu Jahresbeginn.

In beiden Fällen würde ich sagen, dass sowas wie Betriebszugehörigkeit und damit auch Abfindungen etc. bestehen bleiben, da es im Prinzip so etwas ist, wie ein interner Jobwechsel. Wenn ich in einer Firma z.B. als Monteur arbeite und dann irgendwann ins Büro wechsle, wird auch (oft) ein neuer Vertrag gemacht, in dem alles wie Gehalt etc. neu verabredet wird. Dadurch ist die Betriebszugehörigkeit natürlich nicht 0, sondern 0 + die Zeit, die ich als Monteur gearbeitet habe.

Ich denke mal beide Verträge sagen im Grunde das selbe aus. Ich schätze mal, dass es eine Anpassung gab, weil im Fall 1 sonst eben doch noch alte Klauseln für irgendwelche Fälle gültig wären. Daher der cut mit der Aufhebung jeglicher vorheriger Absprachen.

Man sollte in beiden Fällen genau schauen, was am neuen Vertrag günstiger für einen ist und was weniger günstig. Leicht gesagt wäre natürlich wenn mehr ungünstig ist, einfach nicht unterschreiben. Eine 20-jährige Betriebszugehörigkeit ist ja quasi unkündbar. Aber ich weiß auch, dass das in der Praxis eher nicht möglich ist. Von daher ganz genau studieren, dem Vorgesetzten sagen, was sich jetzt zum negativen wandelt und für die Unterschrift eine "Abschlussgebühr" in Höhe von X€ für entgangene Einnahmen fordern. Schließlich hat die Firma ja auch etwas davon, nämlich eine Gleichheit ihrer Verwaltungstätigkeiten. Das sollte der Firma im Normalfall etwas wert sein. Aber auch hier weiß ich, dass das in der Theorie einfacher gesagt ist, als es in der Praxis durchzuführen ist.

Was aber immer geht ist ein persönliches Gespräch mit dem Vorgesetzten mit folgenden Worten zu beginnen: "Mir ist nicht ganz klar, was sich für mich dabei für ein Vorteil ergibt, wenn ich diesen Vertrag unterschreibe.". Dann ist auf jeden Fall der Vorgesetzte erstmal im Zugzwang. Und wenn er keine Argumente findet, dann einfach "dumm stellen" und fragen: "Und warum sollte ich den dann unterschreiben?". Das macht es auch einfacher, das Gespräch fortzuführen. Wenn ihm nämlich auch dazu nichts einfällt, kann man relativ leicht sagen: "Also hat nur die Firma dafür Vorteile... kann ich denn von diesen Vorteilen auch profitieren und etwas abbekommen? Schließlich ändert sich damit bei mir auch ein bisschen etwas.".
 
AW: Gibt es hier Arbeitsrechtler?

An die Juristen gewandt:

Ist es richtig, dass in beiden Formulierungsfällen ein neuer Arbeitsvertrag vereinbart wird, der anstelle des Vorangegangen in Kraft tritt? Fängt man da was Kündigungsfrist und mögliche Abfindung also wieder bei null an?

Durch die gerade noch deutlichere Formulierung der zweiten Variante schließt man etwaige Ansprüche/Rechte aus dem alten Arbeitsvertrag komplett aus. Das führt zu der Annahme, dass sich der Arbeitgeber damit mehr Flexibilität sichern möchte: kürzere Kündigungsfrist und kürzerer Bemessungs-Zeitraum für etwaige Abfindungen, da der Vertrag ja ab 01.01.2011 läuft. Und nicht etwa wie angegeben einer Vereinheitlichung dienender Maßnahme.

Ist es richtig, dass der neue Arbeitsvertrag mit den gewählten Formulierungen gleichzeitig auch der Aufhebungsvertrag des alten Vertrages ist? Kann man "2 Verträge" in einem Vertrag zusammen fassen? Oder müssen da nicht zwei Werke für her?

Würde mcih einfach mal interessieren :)
 
AW: Gibt es hier Arbeitsrechtler?

Vielen Dank für Eure ausführlichen und informativen Rückmeldungen und Ratschläge! :)

Dass die Betrachtung einer aus dem Kontext gerissenen Klausel das Ergebnis verfälschen kann, ist mir bewusst. Im vorliegenden Fall ist es nicht so dramatisch, weil außer einer nun höheren tariflichen Eingruppierung und veränderten Arbeitszeiten keine gravierenden Vertragsänderungen zu verzeichnen sind.

Mein Bekannter macht sich nur für den Fall einer evtl. Arbeitgeberkündigung Sorgen. Seine Befürchtung ist, dass er schlechtere Karten hat, wenn er einen Neuvertrag nach Aufhebung des alten hat (auch wenn die Arbeitstätigkeit nicht unterbrochen wurde und der Arbeitgeber nicht gewechselt hat), als bei einer Abänderung des Altvertrags.

Könnt Ihr zu dieser Fragestellung auch "ein paar kurze, rein private und völlig unverbindliche Gedanken" äußern?

Vielen Dank!

Gruß

Kai

Edit:
mk82 bringt unsere Befürchtungen auf den Punkt.
 
AW: Gibt es hier Arbeitsrechtler?

Lieber Kai, du hast Post. ;)
 
AW: Gibt es hier Arbeitsrechtler?

Ist es richtig, dass in beiden Formulierungsfällen ein neuer Arbeitsvertrag vereinbart wird, der anstelle des Vorangegangen in Kraft tritt? Fängt man da was Kündigungsfrist und mögliche Abfindung also wieder bei null an?


Ist es richtig, dass der neue Arbeitsvertrag mit den gewählten Formulierungen gleichzeitig auch der Aufhebungsvertrag des alten Vertrages ist? Kann man "2 Verträge" in einem Vertrag zusammen fassen? Oder müssen da nicht zwei Werke für her?

.... Seine Befürchtung ist, dass er schlechtere Karten hat, wenn er einen Neuvertrag nach Aufhebung des alten hat (auch wenn die Arbeitstätigkeit nicht unterbrochen wurde und der Arbeitgeber nicht gewechselt hat), als bei einer Abänderung des Altvertrags.

Könnt Ihr zu dieser Fragestellung auch "ein paar kurze, rein private und völlig unverbindliche Gedanken" äußern?

Ganz knapp und unverbindlich ;)

Ein Aufhebungsvertrag in Verbindung mit dem Neuabschluss eines Arbeitsvertrages lässt unterbrechen das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Betriebszugehörigkeit NICHT. Die Kündigungsfristen gelten also weiter bzw. es gilt die Zeit der Betriebszugehörigkeit, also seit 1990.

In beiden hier genannten Fällen ergeben sich also keine Auswirkungen auf den Kündigungsschutz oder die Kündigungsfrist. Im zweiten Fall (Aufhebung und Neuvertrag) kann es allerdings grundsätzlich zur Verschlechterung des Arbeitsverhältnisses kommen, was im ersteren ganz vereinfacht nicht möglich wäre.

Letztlich wäre es aber unabdingbar, beide Verträge (alt und neu) vollständig zu sichten und im Kontext zu betrachten - nur dann ist es möglich eine vernünftige rechtliche Würdigung des Sachverhaltes abzugeben.....Ich würde eine anwaltliche Beratung empfehlen....

LG
Daniel
 
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