Tipps zum Autofahren

dwz8

Café Racer
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2 August 2004
Wagen
BMW Z8
Der folgende Text kann zu Langzeitschäden führen, für die ich keine Haftung übernehme. Die Tipps sind für normale Autos gedacht, lassen sich aber mit wenigen Handgriffen auch auf Autos mit Front- oder Allradantrieb anpassen. Ansonsten gilt: Jeder ist sich selbst der Nächste, ich habe Euch gewarnt.



Über das Autofahren

„Schreib besser über was Ungefährliches“, sagte mein Freund, und der kennt sich aus. „Erektionsprobleme zum Beispiel, da kann Dir nichts passieren. Aber doch nicht Autofahren. Das gibt nur Stress.“ Nachdenklich rühre ich meine Tasse 10W-60 um. Wer Benzin im Blut hat, muss auf die richtige Ernährung achten.

Da ist was dran an dem, was mein Freund sagt, aber andererseits sollte man nicht über Dinge schreiben, von denen man keine Ahnung hat. Also lieber doch Autofahren.

Natürlich, es gibt viele gute Bücher über das Autofahren. Und natürlich sind die alle völlig überflüssig, da der durchschnittliche Autofahrer sowieso schon alles weiß, was drinsteht. In der Regel reicht es ja sogar schon aus, wenn man ein paar knackige Zitate von Walter Röhrl drauf hat, die machen immer Eindruck und verbessern die eigene Rundenzeit, vor allem auf facebook.

„Aber wenn ich doch nur ein paar ganz offensichtliche Tipps gebe…?“, schrumpele ich unter dem endgültigen Blick meines Freundes zu einem Häufchen Ölablagerung zusammen.

„Keine Chance“, ist seine finale Entscheidung. „Nicht mal ansatzweise. Du könntest höchstens von dem ganzen Mist erzählen, den Du selbst fabriziert hast. Das hilft zwar auch nichts, ist aber vielleicht unterhaltsam.“ Kurz schaue ich in meinem Adressbuch nach, ob dort mein Gesprächspartner tatsächlich als „Freund“ markiert ist, bevor ich mein Gehirn kurz auf 6.000 1/min bringe. Alles sollte man sich nicht bieten lassen. Und überhaupt, so schlimm war das gar nicht früher, als ich noch geglaubt habe, ich könnte Autofahren…
 
Quer ist mehr – oder doch nicht?

Natürlich fange ich nicht mit Jugendsünden an, wo kämen wir denn da hin! 34 PS-Käfer mit abgefahrenen Sommerreifen auf Schnee, unverantwortlich! Aber schööön… Es war die Zeit, als man bei einem „70“-Schild vor einer Kurve dachte: die könnte möglichweise nicht „voll“ gehen. Oder die Sache mit den 195ern hinten und dem Vorschlaghammer…oh, ich schweife ab. Wir wollen ja seriös sein.

Es gab die Zeit, da fühlte ich mich richtig schnell. Vollgas und Vollbremse, dazwischen viel Herumgerutsche. Mit dem Z8 hatte ich – nach damaligem Stand – schon einige Leistung unter dem Hintern. Vor lauter Herumgezeter über das schlechte Fahrverhalten, das Untersteuern, die unpräzise Lenkung, das fehlende Sperrdifferenzial und natürlich den eklatanten Mangel an Leistung (bei 400 PS!) kam ich kaum zum Fahren. Ständig kreischten die Reifen, nach zwei Runden Nordschleife fielen die Gummiwürste vom Profil ab.

Aber es war doch schnell, oder?

Hach, die Karre so richtig in die Kurve reinreißen, dann aufs Gas steigen und mal kurz querstehen, Herz, was willst Du mehr? Und natürlich der Kavalierstart mit durchdrehenden Rädern, am Besten mit Launchmodus oder wie das heißt, auch wenn es die Kupplung kostet.

So richtig schnell, oder? Nö, nicht.

Und nachdem mir einer, der es konnte (nicht der gute Freund von oben), mir gezeigt hatte, was mein Auto tatsächlich so draufhatte, wurde ich nachdenklich. Und das nicht zu knapp.

Die größte Herausforderung war ich selbst. Wie soll man sich verbessern, wenn man sowieso davon überzeugt ist, schon alles zu können und nur am Material zu scheitern?
 
Übung 1:

Solange Du denkst, Du kannst schon alles:
goto Übung 1.

Ernsthaft. Es tut weh, aber der ganze Ego-Macho-Kram muss in den Kofferraum, sonst klappt das nicht. Oder besser noch: ganz ausladen, ist besser für das Leistungsgewicht.
Denk nicht, dass Dir nur noch die letzten 5% fehlen. Denk Dir lieber, Du musst einen Fahrstil von Grund auf erlernen. It’s up to you, mir ist es egal.
 
Zielsetzung:

Es geht hier um Tipps, zu einem runden, gleichmäßigen Fahrstil zu finden. Kein Aggro-Herumbolzen mit überschäumendem Adrenalinpegel, sondern das Ausnutzen der Möglichkeiten des Autos.
Mit diesem Stil sind sehr viele Rennfahrer auf dem Nürburgring unterwegs (nicht zu verwechseln mit Touristenfahrern, auch wenn es dort etliche gibt, die fahren können), und zwar sehr erfolgreich. Es ist ein Stil, der sich sinnvoll auf die normale Straße übertragen lässt.
Wer lieber querstehend herumrutschen will, kann das gerne tun.
 
Die Sitzposition

„Bist Du das auf dem Foto, mit einer Hand oben am Lenkrad und mit dem Ellbogen am Fenster raus?“ amüsiert sich mein Freund. „Du wusstest damals noch nicht einmal, wie man sich in ein Auto hineinsetzt??? Und diese Mähne…“ Schnell entreiße ich ihm das Foto, das mich mit schulterlangem Haar aus heutiger Sicht etwas unvorteilhaft erscheinen lässt. Aber natürlich hat er Recht: bei den heutigen hohen Seitenlinien der Autos lässt man den Ellbogen besser drinnen, wenn man sich nicht eine Muskelzerrung einfangen will. Und nicht nur deswegen.

Die Sitzposition im Auto ist das wichtigste unterschätzte Detail beim Autofahren. Wir alle kennen die verschiedenen Lenkradhaltungen mit einer, zwei oder drei Händen, oben, unten, mit den Zähnen, mit oder ohne Fensterauslage. Wer sich wirklich und ernsthaft mit einem Auto auseinandersetzen will, für den gibt es aber nur eine Sitzposition. Nicht umsonst sind Rennsitze nur minimal verstellbar. Und haben noch nicht mal eine Sitzheizung.

Schulterschluss mit der Rückenlehne und richtige Handhaltung am Lenkrad sind entscheidend für die Kontrolle, die man über ein Auto hat. Am Lenkrad muss fest zugepackt werden, um jederzeit auf Stöße von den Rädern reagieren zu können, z.B. bei Bodenwellen.
 
Übung 2:

Setz Dich in Dein Auto. Vergiss alles, was Du bisher als komfortabel, angenehm oder cool empfunden hast. Die Hände müssen auf 3 und 9 Uhr ans Lenkrad. Oft sind da für die Daumen noch kleine Auflageflächen (bei normalen Autos zumindest, aber auch bei vielen Nicht-BMWs).

Stell den Sitz so ein, dass die Rückenlehne möglichst senkrecht ist. Zu Anfang wird Dir das unangenehm vorkommen, weil Du im halben Liegen das lässige Winken zur holden Weiblichkeit bzw. Männlichkeit am Straßenrand gewohnt bist. Da wir aber fahren und nicht winken wollen, brauchen wir den Halt der Rückenlehne.

Lehne Dich fest an die Rückenlehne an, fass das Lenkrad bei 3 und 9 Uhr an, achte darauf, dass Deine Arme nicht gestreckt, sondern leicht gebeugt sind. Wenn Du das Lenkrad oben anfasst, darf der Arm trotz festem Kontakt mit der Rückenlehne nicht durchgestreckt sein.

Damit stimmen die Voraussetzungen für die Fahrt. Die Höhe des Sitzes sollte so eingestellt sein, dass Du über das Lenkrad schauen kannst.
 
Kostenloser Tipp:

Hände sind magnetisch. Vor allem dann, wenn man sie umerziehen will, greifen sie dahin, wo sie nicht hindürfen. Frauen können endlose Geschichten dazu erzählen.

Wenn das nicht klappt mit 3 und 9 Uhr, dann machen wir das ganz einfach: Nehmt einen Schaffellüberzug aus den 70ern. Schaffel. Schaf-Fell. Ok, Hasenfell, das geht besser. Oder Schmirgelpapier mit der rauen Seite nach außen. Und das wickelt Ihr um das Lenkrad. Schneidet die Stellen frei, an denen die Hände sitzen dürfen. Verirrt sich dann beim Fahren eine Hand, wirst Du Dir flugs sagen: Oh, Fell, oder oh, Schmirgel. Und Du wirst verstehen.
 
Über das Lenken

„Du hast früher schon ganz schön komisch gelenkt, weißt Du das noch?“, glaubt sich mein Freund zu erinnern. „Hast Du nicht beim Auslenken aus der Kurve einfach das Lenkrad losgelassen und zurück flitschen lassen?“ Mit Mühe ziehe ich einen Rest Kühlergrill heraus, der sich in einer Zahnlücke verfangen hatte, bevor ich antworte. „Bist Du nicht damals in der Leitplanke gelandet, obwohl Du das Lenkrad festgehalten hast?“, gebe ich den Aufschlag zurück. Soll mal besser nicht so dicke tun, ich hab da auch so meine Erinnerungen.

Lenken, wer kann das nicht. Hier gezogen, da gedreht, schon geht es los. Oder auch nicht.

Nachdem wir jetzt gut sitzen (und die meisten Leser diesen Abschnitt in 2,3 s überflogen haben, ohne ihn zu befolgen), geht es nun um das Lenken. Erstmal grundsätzlich, später dann noch einmal mit Liebe.

Das Lenkrad ist das Gegenteil einer Zigarette. Die Zigarette heißt Ziehgarette und nicht Pustarette, aus gutem Grund: man zieht daran. Am Lenkrad wird aber nicht gezogen, sondern geschoben. Deshalb kann man es nie mit einer Zigarette verwechseln.

Setz Dich in Dein Auto. Hände nach Vorschrift ans Lenkrad. Und jetzt zieh mal am Lenkrad, um eine Kurve zu fahren. Nach einer Achtelumdrehung ist Ende: nicht nur bei mir beendet dann der Wohlstandsbauch alle gefährlichen Aktivitäten. Die ziehende Hand prallt gegen den Bauch, und Ende ist’s.

Wie anders verhält es sich dann doch beim Schieben. Nehmen wir die Hand auf 9 Uhr und fahren eine Rechtskurve. Locker und flüssig können wir das Lenkrad in die Rechtsdrehung schieben, während wir uns wohlig an der Rückenlehne abstützen. Eine halbe Umdrehung, oder auch mehr. Und gefühlvoll wieder zurück. Ganz langsam.

Stellt Euch vor, Ihr hättet eine lange Antenne mit Fuchsschwanz auf dem Dach. Das Ziel ist es, diesen Fuchsschwanz so ruhig wie möglich zu halten. Heftige Lenkbewegungen führen zu heftigem Ausschlag des Fuchsschwanzes – und damit der Masse des Autos.
 
Übung 3:

Fahrt ein paar Kurven – langsam – mit Schulterschluss zur Rückenlehne. Dann neigt die Rückenlehne weiter nach hinten und fahrt die Kurven nochmal – ohne Schulterschluss. Aber nur Schieben, nicht Ziehen. Dämmert es irgendwie?

Auch wenn es sich banal anhört, das Verständnis für die richtige Sitzposition ist entscheidend für alle Fahrübungen.
 
Kostenloser Tipp:

Fahrt mal eine Strecke so, dass Ihr nur mit der jeweils kurvenäußeren Hand lenkt. Also in Rechtskurven mit der linken Hand, in Linkskurven mit der rechten. Fahrt langsam und nehmt die andere Hand vom Lenkrad, um überhaupt mal ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das mit dem Schieben so geht.
 
Wie man denn so fährt…

Das Gaspedal ist dazu da, Beulen ins Bodenblech zu treten. Richtig gebremst ist nur dann, wenn Rauchwolken aufsteigen. Und wenn es in der Kurve nicht quietscht, war man nicht schnell.
Nur mit Mühe schaffe ich es, meinen Freund vom Boden zwischen Tisch und Sofa hervorzuziehen, während er sich vor Lachen kaum zu halten weiß. „Die Runde….stell sie auf youtube…aaaah, sie werden Dich lieben….“. Keine Frage, seine Bewertung meiner Erstlingsrunden auf der Nordschleife weicht marginal von der meinigen ab. Sack, elendiger. Irgendwann finde ich Deine Videos, und dann….


Der klassische Fahrstil auf der Straße ist eigentlich gar kein Stil. Eher so eine Art Holzhacken. Vollgas, wenn es geradeaus geht. Dann das Auto zusammenstauchen, dass sich die Holme biegen. Schön langsam in die Kurve rein, weil, mer weeß et jo nit, ne. Sobald man sich sicher fühlt, wieder voll aufs Gas. Määääääp. Querstehen. Nicht vorwärtskommen wegen Quersteher, aber cool aussehen. Am besten mit 1000 PS und 10 Zoll-Bremse rundum, dazu noch ein Bremsfallschirm.

Natürlich erkennt sich da niemand wieder, wo kämen wir denn da hin (siehe Übung 1….).
Es gibt das berühmte Zitat von Walter Röhrl (gibt es noch Zitate von jemand anderem?), das da sagt: „Man kann ein Auto nicht wie ein menschliches Wesen behandeln - ein Auto braucht Liebe.“
Wie wahr, wie wahr. Es ist kaum zu glauben, dass die meisten Autos noch schlechter dran sind als die Partnerinnen der Fahrer, aber das ist eine andere Geschichte. Fangen wir einfach an:

Wo immer eine Last aufgenommen werden soll, muss das langsam geschehen. Geschieht es schlagartig, gibt es Probleme. Ein Beispiel:
Wenn ich einen Kartoffelsack von 25 kg auf dem Arm habe und Dir sage: pass auf, hier ist ein Kartoffelsack für Dich, nimm ihn mal bitte, dann bist Du vorbereitet und wirst den Sack ohne Probleme tragen können.
Nimm aber an, Du löst gerade ein Kreuzworträtsel und ich rufe Dir zu: „Hier, fang!“ und werfe Dir den Kartoffelsack zu. Dann fluchst Du kurz und fällst um. Übersetzt aufs Auto heißt das: der Reifen quietscht und rutscht weg.

Jegliche Aktivität im Auto muss sanft und gleichmäßig erfolgen. Abrupte Aktionen sind ausnahmslos unerfreulich für das Fahrverhalten.
 
Übung 4:

Schlage einen Nagel in die Wand.
Stell Dich 3 Meter vor die Wand, mit einem Bild in der Hand
Versuche, das Bild auf den Nagel zu werfen, so dass es hängenbleibt.
Schlage einen neuen Nagel ein, nimm ein neues Bild und wiederhole den Vorgang, bis Du es begriffen hast.

Stell Dich nun knapp vor die Wand und hänge das Bild sanft an dem Nagel auf.
Nimm keinen neuen Nagel, kein neues Bild, gehe nicht über Los, und freue Dich darüber, dass es geklappt hat.
Versuche, zu verstehen.
 
Über ganze und halbe Kurven

„Och, erst mit Vollgas die lange Gerade hoch, und dann am Oberschenkel sanft rechts abbiegen, das ist es doch,“ sinniert mein Freund vor sich hin. Unzweifelhaft behält er auch in komplexen Fahrsituationen immer den Überblick. „Danach dann die schnelle Links-Rechts an der Hüfte entlang…“ Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob ich die Rennstrecke kenne, von der er erzählt, und prüfe erst einmal, ob mein rechter dicker Zeh noch den richtigen Luftdruck hat.

Gerade aus ist immer einfach. Volle Pulle, Bahn frei. So schön, wie Speed auch mal ist, aber geradeaus ist langweilig auf Dauer. Aber wie geht man an Kurven heran? Am besten stückweise.
Jede Kurve teilt sich in mehrere Zonen auf:
Protzen, Angst, Übermut und Bedauern.

Diese Zonen muss man einzeln trainieren, will man zu einer flüssigen Kurvenfahrt kommen. Für die wenigen, die diese Aufteilung noch nicht kennen, hier zunächst die höchst wissenschaftliche Definition:

Protzen – mit Vollgas auf die Kurve zufahren, ohne zu zucken. Vor allem, wenn ein Weibchen zusieht.
Angst – der Bereich, in dem man feststellt, dass Physik endlich ist, und in dem man das Auto zusammenstaucht, bis es mit der Geschwindigkeit eines durchschnittlichen Kinderwagens in die Kurve hineinfährt.
Übermut – diese Zone beginnt in dem Augenblick, in dem man realisiert, dass bisher alles gut geklappt hat und dass man nun wieder maximal das Bodenblech malträtieren kann, ohne dass Gefahr für Leib und Reifen besteht. Solange das DSC eingeschaltet ist natürlich.
Bedauern – die Ausgangsphase der Kurve, in der man erkennt, dass man viel schneller hätte in die Kurve hineinfahren können, viel früher hätte beschleunigen können, damit man nicht so langsam herausorgeln müsste wie jetzt.

Es gilt, nach streng wissenschaftlichen Methoden diese vier Zonen durch eine Zone zu ersetzen, die die Bezeichnung „Geiiiiiiiiilllllll…….“ trägt. Fangen wir also an.
 
Übung 5: Halbe Kurven fahren

Suche Dir eine gut einsehbare Kurve mit ausreichend Platz für den Fall, dass Du ihn brauchst.
Ideal sind Kurven, die man so mit 60 bis 80 km/h durchfahren kann.
Fahre mit einer Geschwindigkeit auf die Kurve zu, bei der Du nicht abbremsen musst, um in die Kurve einzufahren. Beginne mit niedrigen Geschwindigkeiten.
Du wirst feststellen, dass es anfangs schwierig ist, ohne Bremsen in eine Kurve hineinzufahren, weil das ein eingefleischter Reflex ist (für Veganer: ein eingebroccolischter Reflex). Es ist wichtig, so langsam zu fahren, dass Du Dich sicher fühlst, mit dieser Geschwindigkeit in die Kurve hineinzufahren. Lenke so weich wie möglich ein.
In der Kurve gibst Du kein Gas, sondern rollst nur durch. Achte darauf, wie sich das Auto neigt und wie sich die Lenkung (Schieben!) anfühlt. Wenn Du Dich sicher fühlst, erhöhe die Geschwindigkeit bei der nächsten Durchfahrt langsam. Gib in der Kurve kein Gas, sonst lenkt Dich das nur von der Kurvenfahrt und dem Gefühl dafür ab.

Bei entsprechendem Tempo wird sich das Auto nach außen neigen und Druck auf dem kurvenäußeren Vorderrad aufbauen. Dafür musst Du ein Gefühl bekommen. Herausforderung: Dein Ego sagt Dir nach drei Kurven: alles klar, hab ich kapiert, wo ist der WM-Pokal? Das. Ist. Falsch.
Ich gebe zu, ich bin langsam. Ich habe locker ein ganzes Jahr gebraucht, bis ich es endgültig kapiert hatte. Beat me, if you can. Und dann fahren wir eine Runde Nordschleife…
 
Kostenloser Tipp:

Bau in Deinem Wohnzimmer einen Fensterflügel aus und lege ihn flach auf den Esstisch.
Nimm einen Radiergummi und lege ihn auf die Scheibe.
Schiebe den Radiergummi mit einem Finger über die Scheibe und freue Dich, wie leicht das geht.

Setze nun Deine Katze auf den Radiergummi (Hund könnte auch gehen, aber damit habe ich keine Erfahrung).
Verschiebe den Radiergummi erneut mit der Hand. Wundere Dich, wie viel schwerer sich der Radiergummi nun verschieben lässt.

Stell Dir vor, Dein Radiergummi wäre ein Reifen.
Ohne Druck rutscht ein Reifen leicht weg. Mit ausreichend Druck von oben rutscht er nicht mehr weg, oder aber erst sehr spät. Fahre die Übung 5 „Halbe Kurven“ so lange, bis Du das begriffen hast.

Wenn Du es begriffen hast, mach Dir klar, dass Du mit jedem serienmäßigen normalen Auto wie auch mit vielen Nicht-BMWs schnell in eine Kurve hineinfahren kannst, solange Du genug Druck auf dem Vorderrad aufbauen kannst.
 
Wenn man zu schnell ist…

In der Übung 5 wird langsam das Tempo gesteigert, nie mehr, als man sich wohlfühlt und verantworten kann. Trotzdem kommt dann vielleicht irgendwann der Punkt, an dem es zu schnell ist. Was dann?

Mit dem richtigen Druck von oben auf den Rädern rutscht das Auto nicht so leicht weg, es sei denn, die Lastverhältnisse ändern sich. Unnötiges Drehen am Lenkrad (z.B. deutliches Sägen für die mitlaufende GoPro), Lupfen des Gaspedals, Bodenwellen führen dazu, dass der Druck auf die Federn gelöst wird. Schon fängt das Rad an zu pumpen und verliert dabei an Grip. Die Folge ist, dass das Rad seitlich wegrutscht. Deshalb immer so sanft wie möglich reagieren und das Auto ruhig halten.

Das Gleiche gilt für den Fall, dass man zu schnell ist. Der Reflex ist oft, voll auf die Bremse zu steigen. Wenig überraschend reißt der Grip völlig ab, und man schaut geradeaus genau in die Richtung, in die das Auto rutschen wird. Es geht aber anders besser.

Wenn man sinnvoll in eine Kurve hineinfährt, ist man in der Regel nur ein kleines Bisschen zu schnell, und nicht 50 km/h. Folgerichtig muss dann auch nur dieses kleine Bisschen reduziert werden, damit die Reifen wieder in ihren Wohlfühlbereich zurückfinden.

Schlagartiges Lösen des Gaspedals und heftiges Bremsen überfordern dann den Reifen, das geht also nicht. Stattdessen lupft man sanft das Gaspedal. Reicht das nicht aus, dann geht man sanft völlig vom Gas und steigt sanft ganz leicht auf die Bremse.
 
Übung 6:

Fahrt auf einer leeren Straße mit 80 km/h vor Euch hin.
Geht langsam vom Gas und beobachtet, wie wenig Ihr tun müsst, um 10 oder 20 km/h schnell abzubauen.

Fahrt erneut 80 km/h.
Geht sanft vom Gas und tippt nur leicht die Bremse an. Beobachtet, wie wenig Ihr bremsen müsst, um 30 oder 40 km/h abzubauen.

Macht diese Übung mehrfach auf einer geraden Strecke, anschließend dann bei gemäßigtem Tempo in einer Kurve. Damit bereitet Ihr Eure Reflexe darauf vor, im Ernstfall sanft zu reagieren und nicht in Panik das Auto ins Aus zu schießen.
 
In die Kurve rein – aus der Kurve raus

„Schwedenkreuz bei 200 km/h, und dann wippt der Z4M hinten durch auf der Bodenwelle. Wie willst Du das Gefühl jemandem beibringen?“, sträubt sich mein Freund nach wie vor gegen das aktuelle Thema. „Oder unter der Antoniusbrücke bei knapp 260, und dann fängt die Sau an, selbständig mit der Hinterachse zu lenken…“. Ist schon klar, die Datenaufzeichnung hat gezeigt, dass er da voll hat „stehen lassen“, während ich kurz „gelupft“ habe, weil ich den Rest des Tages auch noch erleben wollte. Freunde können bei Gelegenheit anstrengend sein. Ich wende mich wieder meinem gemischten Salat aus Brems- und Kupplungsbelägen zu.

Wir sind nun in die Kurve hineingefahren und haben uns langsam soweit vorgetastet, dass wir wissen, wie stark wir den Vorderreifen belasten können, ohne zu rutschen. Jetzt müssen wir zusehen, dass auch das Heck unter Spannung gerät. Das wird spannend.
Durch den Überschuss an Geschwindigkeit beim Hineinfahren in die Kurve wird die Feder des kurvenäußeren Vorderrads zusammengedrückt. Je stärker, desto besser. Der Vorderreifen bekommt maximalen Druck von oben und produziert auch maximalen Grip. Jedes Zucken am Gaspedal oder am Lenkrad wird dazu führen, dass sich der Druck vermindert und damit auch der Grip. Es gilt also, den Druck einmal aufzubauen und dann möglichst konstant zu halten, bis es aus der Kurve wieder hinausgeht.

Das Heck flattert aber bisher noch unbeschäftigt in der Gegend herum, und das muss sich ändern. Sobald also der Vorderwagen unter Druck steht und ruhig wird, gibst Du ein kleines Bisschen – haaaaaalt, viel zu viel, ich sagte: ein kleines Bisschen – Gas. Nur so viel, dass das Heck einknickt und auch dort die Federn unter Spannung geraten. Sind auf der kurvenäußeren Seite die Federn vorn und hinten unter Spannung, kann die eigentliche Kurvenfahrt beginnen.

Noch einmal: Das Ziel ist es, so schnell wie möglich diesen Zustand herzustellen, in dem das Auto „unter Druck“ steht, d.h. vorn und hinten die äußeren Federn so weit wie möglich angespannt sind. Eine Feder, die nicht unter Druck steht, tut das, wofür sie gebaut wurde: sie federt. Und mit jeder Federbewegung setzt sie die Masse des Fahrzeugs ins Unruhe, was wir überhaupt nicht brauchen können.
Also fahren wir in drei Stufen: Einlenken mit Aufbau des Drucks auf dem Vorderrad, Absenken des Hecks und Aufbau des Drucks auf dem Hinterrad, Kurvenfahrt mit Beschleunigung.
 
Übung 7: Heck stabilisieren

Fahre ohne Bremse in eine Kurve hinein und beobachte, wie sich der Druck am Vorderrad aufbaut.
Tippe ganz leicht aufs Gas und stelle fest, wie schon dieser minimale Impuls ausreicht, um das Heck unter Spannung zu bringen.
Erhöhe den Druck auf das Gaspedal ganz leicht und fahre aus der Kurve hinaus. Vermeide Vollgas und jegliche aggressiven Tätigkeiten.
 
Die Sache mit dem Gaspedal

„Vollgas bis zur Drehzahlgrenze, aber mit Gefühl“, schnalzt mein Freund genießerisch mit der Zunge. „Das ist es doch, oder? Klar, auf der Landstraße natürlich nicht.“ Ich überlege gerade, ob ich zum Abendessen Wischerblattragout bestellen soll und höre nur mit halbem Ohr hin. „Gas geben ist eine sensible Angelegenheit, Motorradfahrer kennen sich da am besten aus.“, sinniere ich. „Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich vom Motorrad aufs Auto umgestiegen bin. Anfangs fand ich den Gasgriff sehr ungeeignet. Er war so schlecht zu erreichen und ließ sich nur mit äußerster Kraftanstrengung drehen.“

Ich bezeichne den Zustand des Autos mit Druck auf den Federn als „stabile Seitenlage“. Sobald sie erreicht ist, kann ich Gas geben. Um klar zu sein: Gas geben heißt nicht, schlagartig ein Pedal durchzutreten, sondern gefühlvoll Beschleunigung aufzubauen bis zum maximal Möglichen. Plötzliches, übermäßiges Gas geben kann nur zu einem Abreißen des Grips auf der Antriebsachse führen, und das ist nie gut.
Natürlich weiß ich, dass Driften Spaß macht. Es ist aber ein großer Unterschied, ob ich bewusst einen kontrollierten Drift einleite, oder ob ich einfach in der Kurve so viel Gas gebe, dass mir der Grip und die Contenance verloren geht.

Merke: Rutschen kostet Zeit, auch wenn man das Rutschen als geilen Drift bezeichnet.
 
Übung 8:

Bindet eine Quietschente auf das Gaspedal.
Gebt in Kurven nur so langsam Gas, dass sie nicht quietscht.

Nehmt die Quietschente raus und probiert das Ganze noch einmal:
Sanft Gas geben, auf die Reifen achten.
 
Das keilende Heck

„Du solltest unbedingt aus Deinem reichen Erfahrungsschatz berichten, wie man einen M in der Kurve innen in die Leitplanke fährt“, schmunzelt mein Freund. „Das war doch nur, weil die Bremsleitung kaputt war, und dann war da noch die Sache mit dem feuchten Fleck“, muss ich schon wieder unbegründete Anschuldigungen abwehren, während ich an einem heißen Kühlwassercocktail nippe.

Gerade beim Z4M ist das eine klassische Situation: Man tritt in der Kurve aufs Gas, das Heck bricht aus, man erschrickt sich und geht vom Gas, das Auto fährt innen gegen die Leitplanke.

Es heißt, Nigel Mansell hätte mal gesagt: „Whatever happens, never lift the throttle.“ Frei auf Deutsch: Was immer auch passiert, am Ende bist Du der Trottel.

In. Der. Kurve. Nimmst. Du. Kein. Gas. Weg. Punkt. Zumindest nicht schlagartig, sondern höchstens so, wie oben beschrieben.
Du fährst ohne Gas in die Kurve hinein. Dann gibst Du etwas Gas zur Stabilisierung, anschließend beschleunigst Du gefühlvoll aus der Kurve heraus. Eigentlich sollte es nie eine Situation geben, in der Du Gas wegnehmen müsstest. Machst Du es richtig, fährst Du so das Auto exakt am Grenzbereich entlang, und das mit minimalen Gaspedalbewegungen.

Aber dann gibt es natürlich Radfahrer, Öllachen, nackte Frauen auf der Straße, das Übliche. Und schon bist Du vom Gas, und Dein Heck schaut sich die Sache eher an als Du.
Wenn das Auto unter Spannung steht, dann musst Du es mit Gefühl da herausholen. Plötzliches Gaswegnehmen resultiert in bockigem Verhalten. Das Auto springt aus den Federn, verliert den Grip und schert seitlich aus.
 
Übung 9:

Fahre einen Kreisverkehr mit akzeptabler Geschwindigkeit. Achte auf den Verkehr, keine Risiken.
Nimm schlagartig Gas weg und achte auf die Reaktionen des Autos.
Wiederhole das Ganze und nimm das Gas langsamer weg.
 
Kostenloser Tipp:

Nimm die Feder eines Kugelschreibers und presse sie vollständig zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen. Die Hand ist freigestellt.
Lass die Feder schlagartig los.
Suche die Feder im Umkreis von 10 Metern

Wiederhole das Experiment und lasse die Feder sanft los, sagen wir innerhalb von einer halben Sekunde

Überleg Dir, welchen Unterschied Du festgestellt hast, und tanze ihn uns vor.
 
Bremsen und nicht bremsen

„Ich habe mich immer gefragt, warum die Bremsbeläge so verschlissen sind, wenn Du mit dem Auto gefahren bist“, mault mein Freund herum, nicht ohne provokant einen seiner Pokale zu polieren. „Musst Du denn auf der Nordschleife wirklich so oft bremsen?“ Eilig beende ich die Spachtel- und Lackierarbeiten an meiner linken Schulter, die nach dem letzten Rennen notwendig geworden waren. „Das musst Du gerade sagen, wo Du doch ständig Luft verschwendest“, gifte ich zurück. „Ich hab’s genau gesehen: 0,1 bar mehr Druck auf allen Reifen, und wir müssen es mitbezahlen.“ Ich finde, damit habe ich es ihm gezeigt. Und von den Bremsen habe ich auch abgelenkt.

Das mit dem Bremsen ist so eine Sache, vor allem, wenn es auf eine Kurve losgeht. Keine Frage, wenn man schnell sein will, muss man vor einer Kurve auch bremsen (nachdem man gelernt hat, wie schnell man ohne Bremsen in eine Kurve hineinfahren kann). Die Kunst besteht darin, nur genau so viel zu bremsen, wie es unbedingt nötig ist. Und dann noch ein bisschen weniger.

Die Übung „halbe Kurven“ dient dazu, ein Sicherheitsgefühl bei der Einfahrt in eine Kurve aufzubauen. Es ist erstaunlich, wie schnell man tatsächlich in eine Kurve hineinfahren kann, wenn man schnell genug Druck und damit Grip auf dem Vorderrad aufbauen kann. Will man danach die Geschwindigkeit steigern, kommt das Bremsen hinzu. Auch hier empfiehlt es sich, langsam zu steigern. Vollgas auf der Geraden provoziert auch volles Bremsen vor der Kurve. Das Resultat ist, dass man viel zu langsam in die Kurve hineinfährt.
 
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