Ja, 69cruiser, wie soll ich das beschreiben.
Liegt auf jeden Fall in meiner Jugend begründet, mein zweites Auto von 1980-82 war ein Chevy Blazer K5 5,7 gewesen. Von da an hatte ich ein Faible für die Dinger. Nach langer Abstinenz und verschiedenen Marken (Audi, Ford, Volvo) hatte ich von 2006-2009 einen 2004er Chevy Tahoe 5,2, der war -heute weiß ich es- tatsächlich etwas kleiner als der Cadi.
Ende 2011 mußte ich beginnen, für meinen "Zwischen"-Benz einen Nachfolger zu suchen. Ich hatte konkret nach einem PKW mit möglichst Platz für sieben Personen, großer Anhängelast (3,5t), hoher Geländetauglichkeit (mit Reduktionsgetriebe, Mittel- und Hinterachssperre), möglichst hohem Komfort, hoher Motorleistung bei gleichzeitig annehmbaren Spritverbrauch, lang laufender Herstellergarantie gesucht. Also die eierlegende Wollmilchsau der SUV´s.
Und da wurde die Auswahlmöglichkeit ziemlich dünn. Den VW Touareg gab es zwar mit Geländefeatures, hatte aber nur 5 Sitzplätze und war vom Kofferraumvolumen deutlich kleiner als der MB S211. Das gleiche galt für den Mercedes ML. Der BMW X5 bot überhaupt keine echte Geländeausstattung und schied daher trotz möglicher 7 Sitze sofort aus. Das gleiche galt für den Q7. Porsche kam für mich persönlich nicht in Frage. Blieben noch der Mercedes GL, der Toyota LandCruiser V8 und der "normale" Cadi Escalade. US-Importe wie der Chevy Tahoe kamen wegen des Fehlens von Werksgarantien nicht in Betracht. Der MB GL 450/500 und der Escalade (ohne Hybrid) saufen insbesondere in der Stadt wie ein Loch, da sind 18-20 L/100km schon sparsam. Der Toyota nimmt zwar Diesel, aber in der Stadt ist er aufgrund des Gewichtes und des V8 auch kein Kostverächter. Und bei ca. 25.000km, die ich pro Jahr fahre, wollte ich eigentlich keinen eigenen Tankwagen anschaffen. Und ne Ölquelle habe ich auch nicht.
Damit war meine Suche erst mal abgeschlossen, und fast war ich schon auf dem Weg Richtung MB für einen neuen Kombi.
Letzlich fiel mir der Cadillac Escalade Hybrid durch Zufall über ein Internetprospekt mit sagenhaft geringem Verbrauch und den von mir gewünschten Ausstattungsmerkmalen bis auf die Hinterachssperre in´s Auge.
Mein erster Gedanke war : Cadi Escalade Hybrid, was ist denn das für´n Schwachsinn.
Der Escalade Hybrid war zu dem Zeitpunkt -und ist es wohl auch heute noch- in Deutschland zu Unrecht so gut wie unbekannt (angeblich waren ca. 10% der Escalade-Zulassungen Hybride, das wären dann im Jahr so um die 15 (!) Autos in Deutschland, bei 3 Jahren Bauzeit also sagenhafte 40-50 Autos), daher können die meisten auch nichts mit den Hybrid-Hinweisen auf dem Auto anfangen. Ich damals auch nicht.
Also habe ich mich erstmal mit der Technik beschäftigt und alle Berichte im Internet gelesen, die ich finden konnte. Danach wußte ich aber auch nicht mehr als vorher, vielmehr war ich ob der technischen Details des Hybridantriebes völlig verwirrt. Lt. den Testberichten in diversen deutschen Autozeitschriften und sonstigen Schreibereien konnte ich mir folgendes aussuchen : permanenter Allrad, manueller Allrad, keine Untersetzung, mit Untersetzung, ein oder zwei Elektromotoren, rückwarts manchmal nur mit Elektroantrieb (schlecht im Gelände), Leistung des/der Elektromotoren 60 PS, 87 PS, 91PS, 113PS, E85 tauglich, dann wieder nicht. Getriebe war mal mit 4 Gängen gesegnet, mal stufenlos. Nach dem fünften Testbericht war klar, daß die meisten Zeitschriften auf den gleichen Grundartikel zurückgriffen, also gar nicht selbst recherchiert hatten. Der Internetauftritt von Cadillac Europe war, bezogen auf die Technik (das weiß ich heute), schlicht eine Katastrophe. Was dort stand, war nämlich Kokolores. Ich frage mich heute noch, wofür die Verantwortlichen dort ihr Geld bekommen.
So, jetzt die technische Wahrheit über das Auto, u.a nachgefragt in den USA direkt Werk : Neben dem 6,0l-V8, 337 PS, werkeln 2 (!) E-Motoren, am Getriebe angeflanscht, je 86 (für die Stadtfahrtunterstützung) und 91 PS stark (Autobahnunterstützung), so daß die Systemleistung so um die 400 PS beträgt (orientiert an den Angaben zur Systemleistung beim BMW X6 Hybrid, der übrigens den identischen Hybridantrieb benutzt, ebenso wie der kurzzeitig in den USA vertriebene GL Hybrid. Beide haben den Antrieb nämlich mit GM zusammen entwickelt bzw. dort entwickeln lassen und dann übernommen, kein Witz). E85 tauglich ist er nicht und rückwärts fährt er sowohl elektrisch als auch mit dem V8. Das Getrieb ist tatsächlich stufenlos, simuliert aber im manuellen Schaltmodus und im Anhängermodus 4 Gänge. Informationen finden sich u.a. auf youtube (Vorstellung Hybrid von GM 2008, GM-Techniker erklärt den Antrieb). Motor mit Zylinderabschaltung von V8 auf V4, Schubabschaltung/Segelmodus.
So weit, so gut.
Probefahrt beim Händler vereinbart und los. Erster Eindruck : extrem leise, kein Ruckeln beim An- oder Abschalten des Benziners, der ganze Hybridantrieb werkelt völlig unmerklich vor sich hin. Komfort erwartungsgemäß super, Verarbeitung top, Ausstattung für meine Verhältnisse sehr gut. Sehr gutes Radio/schnelles Navi. Fahrkomfort toll, sicheres Fahrgefühl. Ist natürlich kein Kurvenrenner, aber doch flott zu fahren. Die Testberichte, in denen bemängelt wird, daß die Federung zu weich und nicht sportlich wie bei deutschen Autos sei, gingen an mir ziemlich weit vorbei.
Da mich der Verbrauch insbesondere in der Stadt interessierte, bin ich satte zwei Stunden ausschließlich in der Stadt rumgekurvt. Vorher den Bordcomputer auf Null gestellt. Nach zwei Stunden und unendlich vielen Ampeln waren vier Dinge bemerkenswert : 1. wie oft man vor sich hinrollen kann, ohne das der Motor überhaupt mitläuft, 2. wie häufig man in der Stadt rein elektrisch fahren konnte (weil es so langsam vorangeht), 3. wieviel Zeit man ohne eingeschalteten Motor vor der Ampel verbringt und 4. wie schön ruhig es ist, wenn der Motor aus ist. Mein Mercedes hatte damals noch kein Start/Stop-System und der Diesel lief tuckernd demgemäß immer mit und durch.
Der Testverbrauch belief sich auf der Testfahrt auf 11,6 L/100km. Das fand ich enorm für ein Auto dieser Größe und Masse. Insgesamt hatte mich der Wagen völlig überzeugt, so daß ich zugeschlagen habe.
Den Hybridantrieb optimal zu nutzen, erforderte aber in der Anfangsphase die völlige Umstellung meiner bisherigen Fahrweise. Ich mußte am Anfang sehr auf das Motorverhalten des Fahrzeug achten, um noch mehr Sparpotential herauszuholen. Z.B. konnte man mit mehr als den angebenen 40 km/h, nämlich tatsächlich bis zu ca. 52km/h rein elektrisch fahren, aber dazu mußte man den Antrieb nach dem Anfahren quasi überlisten, also kurz beschleunigen, dann vom Gas und das Pedal nur ein bißchen streicheln. Zack, schon fuhr man auch noch bei Stadtgeschwindigkeit elektrisch. Langsames Beschleunigen ließ den V8 viel zu lange mitlaufen und dann nahm er sich schon einiges, Hybrid hin oder her. Das soll aber nicht heißen, daß ich vor mich hingeschlichen bin und zum Verkehrshindernis wurde. Dafür machte allein der Klang des V8 zu viel Spaß.
Der Verbrauch, den ich real auf 70.000km ermittel konnte (Tanken jeweils bis zum Anschlag der Abschaltautomatik des Tankzapfers ohne weiteres Nachfüllen), belief sich durchschnittlich auf 11,7l (kein Geflunkere, alle Tankrechnungen aufgeschrieben mit Kilometerständen wg. Fahrtenbuch Finanzamt). 60% Stadt, 30% AB, 10% Landstraße. Minimalverbrauch 9,4l/100km bei Urlaubsfahrt, maximal 19l/100km bei gestreßter Autobahnfahrt oder einfach, weil es Spaß machte, dem Klang des V8 zuzuhören.
Das Sparpotential war um so höher, je mehr Stadtanteil dabei war. Für ein Fahrzeug der Gewichts- und PS-Klasse (2,5t leer) fand ich das hervorragend. Einfach geil war es, z.B. in unserer Tempo30-Zone völlig lautlos dahinzugleiten. Übrigens störte das Antriebsgeräusch der E-Motoren auch im Hybridantrieb im Innenraum überhaupt nicht, es war eh so gut wie nichts zu hören.
Keine Störungen/keine Ausfälle gehabt, alles funktionierte absolut zuverlässig. Inspektionskosten auf MB-Niveau.
Für den Winter hatte ich mir sehr grobstollige Winterreifen incl. Alufelgen gekauft, da die Serienbereifung nur Ganzjahresprofil hatten und die Chromfelgen bei Salz ziemlich gelitten hätten. Cadillac Deutschland wußte allerdings mal wieder nicht, daß es überhaupt passende Winterreifen gab. Schließlich führe der Cadi doch serienmäßig auf den Ganzjahresreifen. Na ja, zum Glück gab/gibt es aber eine sehr gute Infoseite von Cadillac USA mit allen Daten. Das ist überhaupt ein Problem bei dem Auto bzw. der Marke: Cadillac Deutschland/Schweiz als Generalimporteur kümmerte sich wg. der geringen Zulassungszahlen um nichts und/oder wußte von nichts oder lieferte völlig falsche Infos. Ich habe es ja schon oben erwähnt.
Mit den Winterreifen plus Allrad plus Untersetzung gab es auch im tiefsten Schnee in den Bergen keinen Bedarf an Schneeketten (die es m.M. nach auch gar nicht gibt).
Ansonsten spürt man die Größe des Cadi beim Fahren, auch in der Stadt, nicht wirklich. Im Gegenteil, bei der kantigen Karosse weiß man ziemlich genau, wo sie endet, sowohl hinten als auch vorne. Ansonsten war für hinten ja eh eine Rückfahrkamera dabei, für vorne hatte ich sie für´s zentimetergenaue Einparken nachrüsten lassen (natürlich aus den USA bei Cadi bestellt, wie auch sonst). Klar ist, daß es kein Twingo ist.
Fazit 1 : Geniale, zuverlässige und völlig problemlose Technik, top verarbeitet
Fazit 2 : Der Escalade war und bleibt ein Exot mit einem einzigen -für mich aber letztlich- entscheidenen Manko => er ist für deutsche öffentliche Tiefgaragen zu hoch und/oder zu breit. Beruflich bin ich oft zu Terminen vor Gericht unterwegs und hatte etliche Male das Problem, nicht in die Tiefgaragen vor Ort reinfahren zu können (meist Durchfahrtshöhe nur 1,90m oder die Ein/Ausfahrten sind schlicht zu eng oder beides) mit der Folge von langwierigen Parkplatzsuchen in den Innenstädten. Und Terminunpünktlichkeit kommt bei den Richtern nicht gut an. Dieses Parkproblem habe ich, offen gesagt, beim Kauf des Cadi nicht bedacht bzw. war ich einfach technikblind beim Kauf gewesen. Daher habe ich den Cadi wieder abgegeben.
Fazit 3 : Mir blutet heute noch das Herz, wenn ich an das Auto denke.
Tja, das war sie, meine Geschichte, wie ich zum Cadi Hybrid gekommen bin. Und jetzt gehe ich erstmal ein Doppel-Whopper essen
