Ehrlich gesagt, kann ich mir kaum vorstellen, dass es wirklich noch Leute gegeben haben soll, deren Depot nur aus Wirecard-Aktien bestand uns sie deshalb arm geworden sind. Seit der Geschichte mit den Telekom-Aktien sollten die Leute doch schlauer sein. Ich habe auch einige Werte im Depot, von denen hat dieses Jahr jeder einzelne mehr an Wert verloren, als es 10 Wirecard-Aktien überhaupt konnten. Wenn überhaupt, würde ich mich da höchstens über mich selbst ärgern.
Na klar, ich ärgere mich natürlich auch über mich selbst - aber eben noch mehr über die Marsaleks und Gökers (MEG-Reportage kenne ich, kann ich auch empfehlen) dieser Welt. Gut, man lernt halt dazu, auch, was die eigene Risikobereitschaft angeht. In den paar Jahren (5 oder 6?), in denen ich aktiv dabei bin, abgesehen von Fonds o.ä., habe ich wohl sämtliche Anfängerfehler gemacht - bewusst mit kleinerem Budget in Einzelwerte, dazu habe ich viele Börsenseiten und auch in Foren gelesen, um für spätere Investitionen (vs. Zockereien) zu lernen, wie ggf. manipuliert wird, worauf man achten muss, welchen Quellen man vielleicht trauen kann. Ich denke nicht, dass man mit virtuellen Depots realitätsnah lernen kann. Ein befreundeter Fondsmanager sagte mir übrigens vor etlichen Jahren: „Traue niemandem in diesem Haifischbecken, verlasse Dich auf Dein eigenes Gefühl.“. Ich denke, das sagt alles. Darauf hätte ich mal hören sollen…
Dort, wo die geringste Chance besteht, aus wenig Einsatz den großen Gewinn zu generieren, und dazu noch die schönsten Geschichten erzählt werden, werden sich immer wieder Leute finden, die diese Chance wahrnehmen und (unbewusst) das Risiko des Totalverlustes eingehen. Ansonsten würde das System LOTTO nicht funktionieren.
Im Fall Wirecard habe ich sehr viel in einschlägigen Foren gelesen und mir die, sagen wir, geistigen Kurzschlüsse einiger Marktteilnehmer angetan. Mir kam es so vor, als hätten viele den Fall Telekom gar nicht auf dem Schirm haben können, da sie um 2000 gerade noch im Kindergarten, der Grundschule oder in Planung waren. Generell erweckten die Diskussionen den Eindruck, der Bildungsstand des Großteils der Forenteilnehmer könnte eher etwas niedriger sein. Nur wenige Beiträge waren fundiert. Viele träumten vom schnellen Geld. Einige stachelten andere an, indem sie von Nachkäufen noch vor dem großen Showdown berichteten oder von dem träumten, was sie mit dem immensen Gewinn machen werden.
Ich meine, ein Kandidat hatte noch am Abend vor dem Absturz davon berichtet, wie er die Ersparnisse seiner Ehe heimlich investiert hatte, um seiner Frau am nächsten Tag die Botschaft des fetten Gewinns unterbreiten zu können. Selbst wenn das nicht echt war, hat es garantiert einige Leute angestachelt, mehr und noch mehr zu kaufen…
Es trifft leider vorrangig diejenigen, die nicht in der Lage sind, die Folgen ihres Handelns in Gänze zu evaluieren und/oder diejenigen, die eh nicht viel übrig haben, aber mit dem wenigen Geld, das sie einsetzen können, All-In gehen müssen, um überhaupt etwas daraus machen zu können. Mal ehrlich, wenn ich 100k € in solide Unternehmen anlege, ein paar € Dividende und eine kleine Wertsteigerung erhalte ist das ganz nett. Wenn jemand aber nur 5k € investieren kann, da er mit dem restlichen Einkommen sein Leben auf die Reihe bekommen muss… welche Möglichkeiten hat dieser Mensch denn? Seine Realität sieht so aus: ackern bis der Arzt kommt, nur um durchzukommen, Lotto spielen oder an der Börse All-In in einen Wert oder gar Hebelprodukte. Ein bisschen SAP-Dividende und ein paar Prozente bringen solche Leute nicht weiter. Es ist also kein Wunder, wenn diese Menschen anfangen vom großen Gewinn zu träumen - im gleichen Zug sind sie ideale Manipulationsopfer der Finanzindustrie.
Klar, das ist die böse Realität der Finanzbranche. Jeder, der an der Börse teilnimmt, sollte sich dessen bewusst sein.
Ich finde nur in diesem Fall besonders schwierig, dass die Bafin seeeehr zeitnah informiert war und die Augen komplett verschlossen hatte. Wie ich gelesen habe, waren Bafin-Mitarbeiter selbst investiert. Ich denke, man hat dort einfach nur gehofft, dass es schon irgendwie gut gehen wird und an den Vorwürfen der FT nichts dran ist. Also weiterschlafen… bloß nicht selbst tätig werden.
EY - o.k., was soll der Laden noch groß machen, wenn er vom zu untersuchenden Unternehmen selbst bezahlt wird? Testat nicht wirklich möglich, ohne dass das eigene Unternehmen Schaden nimmt oder das Vertrauen schwindet? Da wird natürlich bis zum Schluss rumgeeiert. Oder bin ich da falsch informiert? Ein echt krankes System.
In beiden Fällen müsste eigentlich mal intensiv 'nachgeforscht' werden.
Mir geht es hierbei nicht um die ca. 800 €, die ich dem Marsalek für Nutten und Koks gespendet habe (doch, auch, aber das kläre ich mit ihm selbst, wenn er mich mal besucht), sondern eher um etwas, was in diesem System scheinbar nicht funktioniert. Nach diesem Fall habe ich z.B. nicht davon gehört, dass man die Versäumnisse der Bafin aufarbeiten würde oder gar schon Optimierungen vorgenommen worden wären. Gras wächst ja bekanntlich schnell.