Es wird mal wieder Zeit, diesem Thema etwas Leben einzuhauchen. Ich habe es zuletzt doch etwas vernachlässigen müssen - so wie meine Autoleidenschaft insgesamt hintenanstehen musste.
Den neuen VW Touareg konnte ich zuletzt sogar schon vor der offiziellen Händlerprämiere anschauen und kurz probesitzen. Die Massagefunktion wäre jedenfalls schon einmal eine deutliche Änderung im Vergleich zum VW Phaeton. Das sagte soweit für den Moment schon einmal zu. Insofern folgt dann sicherlich auch noch eine Probefahrt, sobald der erste "Ansturm" durch ist und man sich mal in aller Ruhe mit dem Fahrzeug beschäftigen kann. Denn ein erster Eindruck kann täuschen und manche störenden Kleinigkeiten entdeckt man erst bei längerer Verweil- und Nutzungsdauer. Nur ist das gewiss nicht Anlass genug, hier einen erneuten Beitrag abzufassen.
Vielmehr soll es mal wieder um den automobilen Verzicht gehen. Manch eifriger Leser wird nun kurz dieses Thema rekapitulieren und alsbald die Lösung vorwegnehmen können. Denn da ging es bereits schon einmal um Verzicht. Doch nunmehr geht es um noch mehr Verzicht.

Daher antizipiere ich einfach mal das "mobile.de-typische Verkaufsklischee der 'Vollausstattung'" und kehre es um:
Keine belüfteten oder beheizten Massagesitze
Kein Abstandsradar, Spurhalte- oder Tote-Winkel-Assistent
Keine Standheizung
Kein Schiebedach
Keine...nennen wir es mal nennenswerte Komfortausstattung.
Weiter zur Rubrik "Sicherheit":
Keine Servolenkung
Kein ESP
Kein ABS
Keine Wegfahrsperre
Keine Sicherheitsgurte hinten
Keine Airbags
Keine...nennen wir es mal - im Zweifelsfall - "Überlebenschance".
Was hat das Fahrzeug nun eigentlich?
- 3 Schlüssel, richtungsgebunden - versteht sich.
- 4 Sitzplätze, mit mehr oder minder guten Aussichten - gerade im "Zweifelsfall"
- noch ein "gewisses Extra", auf das ich später noch einmal kommen werde
Ansonsten geht es weiter mit Verzicht.
Denn es fehlen Einspritzanlage, knapp 100ccm und noch viele weitere Dinge.

Allerdings macht der Verzicht das Fahrzeug in gewisser Weise besonders.
Aber um nun alle - hoffentlich noch immer - geneigten Leser abzuholen und auf ein gemeinsamen Stand zu bringen, verweise ich auf meinen
Beitrag #433. Eigentlich war der damalige Grundgedanke "Keule sen." vom Lada Niva abzubringen. So ganz ist es nicht geglückt.

Vielmehr nahm er sich tatsächlich den Katalog zur Hand.

Und ich muss gestehen, dass ich sogar auf Anhieb auch etwas gefunden hätte:
Den Lada Niva Bronto:
Von Werk aus höhergelegt, mit zusätzlichen Sperren (HA und wohl auch VA), kürzere Übersetzung und sogar Luxusausstattungen Klimaanlage und Sitzheizung. Alles zusammen für ca. 17.000 Euro (zzgl. ca. 1000 Euro für eine ordentliche Hohlraumkonservierung).
Aber dieses Modell war es nicht, welches meinen alten Herren um Jahre jünger erschienen ließ. Freudig verkündete er seinen Entschluss, der sich immer weiter verfestigte. Er hatte da etwas entdeckt...und das wollte er unbedingt haben. Es gab nur zwei Probleme: Ich hatte noch bevorstehende Prüfungen und das Objekt der Begierde stand nicht gerade ums Eck. Also macht Mann das einzige, was Mann in einer solche Situation vernünftiger Weise macht. Mann überweist eine gewisse Summe als Anzahlung an den gänzlich unbekannten Verkäufer im Ausland.
Doch dann war es irgendwann soweit. Meine Prüfungen (und Nacharbeiten) erledigt, die Hotelzimmer reserviert und einen Freund von dem spontanen Ausflug überzeugt - schließlich brauchte es einen Dolmetscher. So ging es Mitte Mai nach Mailand. Und wie man es macht, macht man es falsch. Teure Vignette geholt - für Stau. Teure Mautstrecken benutzt - für noch mehr Stau. Und ausnahmsweise mal mit (vermeintlicher) Postleitzahl die Adresse eingegeben - nun...wer konnte ahnen, dass es auch da Doppelungen geben könnte. Also einmal Stadtrundfahrt dazu. Dafür war das im Internet in ruhiger Lage gelegene Hotel "verkehrsgünstig" angebunden. Es lag direkt in der Einflugschneise. Es lief also alles bestens. Einschließlich Schlagloch auf der Autobahnabfahrt, welches dem fast neuen Reifen den Rest gab.
Doch auch der Tag der Besichtigung begann entsprechend. Der neue Netzanbieter meinte, meinen Anschluss im Ausland sperren zu müssen. Laut freundlicher Auskunft der Servicehotline hätte ich mich erdreistet, die Rechnungen nicht zu bezahlen. Aber vielleicht erklärt mir irgendwann einmal jemand, wie man 0,00 Euro überweisen soll.

Immerhin war dann der Transfer im unklimatisierten Mercedes Vito auch noch passend.
Nun mag man meinen, es sei geschafft. Denn da stand nun das Objekt der Begierde und es sollte alsbald die Probefahrt beginnen. Vier erwachsene Männer auf ca. 3,75m x 1,7m. Ohne Sicherheitsgute hinten im Mailänder Berufsverkehrs. Und durch die trüben Scheiben hinten, konnte man ohnehin nur schematisch erkennen, was da so auf einen zukam. So war immerhin schon einmal der passende Spitzname gefunden: "Die Todesfalle".
Und genau das ist sie:
Auf den ersten Blick drängt sich wohl der Gedanke auf: "So ein Tamtam für einen ollen Lada Niva?!". Doch bei einem genauen Blick erkennt man bereits die Besonderheit. Denn es fehlt noch ein entscheidendes Merkmal:
Das Dach!
Das ist durchaus eine Besonderheit. Ursprünglich war der Niva ausschließlich als Dreitürer geplant. Doch der Drang nach etwas "Lifestyle" führt dazu, dass es ein paar wenige Anbieter gab, die den Niva kurzerhand skalpierten. Der bekannteste Anbieter ist Thiele, die ca. 500 Fahrzeuge in den 80er-Jahren bauten. Dazu kamen ein paar weitere, überwiegend europäische Anbieter. Selten sind die Cabrio-Varianten aber in jedem Fall.
Bei diesem Fahrzeug handelt es sich allerdings nicht um einen derartigen bekannten europäischen Umbau. Es soll wohl tatsächlich eines der wenigen "originalen" Russen-Cabrios sein, welches aufgrund des Zusammenbruches des sowjetischen Reiches seinen Weg nach Italien fand. Dort fuhr ihn zunächst ein älterer Herr als reines Schönwetterfahrzeug und anschließend unser bis dato unbekannter Verkäufer.
Ein äußerst sympathischer Mann Mitte 50 und durchweg ein Autonarr. Denn der Vito war nur ein Ersatzwagen, weil sein US-Oldtimer auf dem Weg von Elba nach Mailand den Dienst quittierte. Die Parallelen von Verkäufer und Käufer beschränkten sich dabei nicht nur auf die Niva- sowie US-Oldtimer-Leidenschaft. Vielmehr reichten diese vom "gleichen" Vornamen über den vergangenen bis aktuellen Berufszweig hin zum Auto der Ehegattin (sterlinggrauer BMW E53 LCI mit Komfortsitzen!). Sein einziger Grund, den Niva zu verkaufen, war seine Frau. Er hatte zu viele Autos und einige mussten einfach weg. Gewissermaßen auch eine Parallele.
Dass er kurz vor Übergabe einen Motorschaden hatte und den Motor von Grund auf neu aufbauen ließ, stimmte den Verkäufer umso trauriger. Er liebte seinen Lada - trotz seiner Macken und (offensichtlichen) Schwachstellen. Aber er stand zu seinem Wort: Der Preis änderte sich für uns nicht.

Und auch ansonsten passte soweit alles - wie vorab besprochen. Besichtigung in der Werkstatt mit seinem Stammmechaniker. Dieser richtete auch gleich noch ein paar Kleinigkeiten (Blinkerleuchte und Ölstopfen abdichten).
Nachdem der Papierkram erledigt war, ging es wieder Richtung Heimat - freundlicherweise dürfen wir sogar die italienische Zulassung und Versicherung dafür nutzen. Die Freude war dem neuen Eigentümer schon während der Fahrt anzusehen.

Aber irgendwie war es wohl illusorisch zu glauben, dass Mailand - München - Heimat an einem Nachmittag zu realisieren war. Daher kam noch eine Übernachtung dazwischen - und für mich die Gelegenheit auch gleich mal die
Todesfalle zu bewegen: ca. 400km und das überwiegend auf der Landstraße.
Und schon konnte ich sehr bald die Freude nachvollziehen. Man juckelt einfach gemütlich vor sich hin, lässt sich von den knapp 80 PS "mitreißen" und ist erstaunt, wie überraschen agil sich dieser (Beinahe-)Oldtimer fährt.

Die Beschleunigung ist erträglich, die Lenkung mangels Servo erstaunlich mitteilsam und direkt. Dass der Tachometer dabei gerade einmal um 1-2km/h bei 100 abweicht, erstaunt umso mehr. Ich hatte jedenfalls auch meinen Spaß.

Und die Gelegenheit für die ersten Schnappschüsse.
(Inzwischen sind die fünf Fünfen überschritten.)
Erstaunt war ich jedoch auch, dass man damit keinesfalls zum Verkehrshindernis verkommt. Möchte man doch meinen, dass Oldtimer, weniger als 80 PS, Breitreifen und ein cW-Wert wie eine Schrankwand dafür sorgen, dass man andere aufhält...es war leider umgekehrt. Da schleichen tatsächlich Leute ohne jedwede Not über Straßen und schauen dann mit Verwunderung herüber, wenn sie von so etwas überholt werden.
Schlussendlich ist aber auch die Überführung geglückt. Sogar eine erste Familienzusammenführung erfolgte bereits.
Nun geht es darum, den Niva etwas aufzuhübschen und fit für die H-Zukunft zu machen. Denn in Italien scheint man das etwas lockerer zu sehen, was Zubehör und Nachrüstungen angeht. Dass er technisch im sehr guten Ausgangszustand ist, wurde inzwischen von einem DEKRA-Prüfer sowie zwei LADA-Niva-Experten bestätigt (letztere wollten nicht nur eine Runde damit fahren, sondern ihn gleich abkaufen).
Erfreulich sind dabei jedoch die Teilepreise. Ich befürchtete, dass bereits die eingetrübten "Chrom"-Teile und erforderlichen Beleuchtungsgläser Unsummen verschlingen werden. Doch dann war ich beim Blick in den "Ersatzteilkatalog" überrascht. Da gab es doch eine "Glas" für die Rückleuchte für 9,99 Euro und eines für 29,99 Euro. Letzteres war allerdings kein "Glas", sondern die komplette Rückleuchte. Dazu ein paar Außenspiegel für ebenfalls unter 30 Euro. Da ist Chrompolitur und -versiegelung bereits in der Anschaffung teurer.
Ungeachtet dessen stehen aber noch die obligatorische Hohlraumversiegelung (mit Mike Sanders) und ein neues Verdeck aus. Auch das Leder der Sitze ist bereits eingerissen. Hier kann man entweder für 250 Euro einen neuen Stoffsitz kaufen oder halt zum Sattler gehen. Letzterer wird auch ein neues Verdeck anfertigen müssen. Insofern gibt es bis zur kommenden Saison und zum H-Kennzeichen noch einiges zu tun...aber die
Todesfalle ist dies sicherlich wert.
(Richtiges Gelände wird der Wagen aber wohl höchstens einmal sehen..., wenn überhaupt.)