AW: Guttenberg Tastatur
Häberle hat sowohl national als auch international so einen guten Ruf als Verfassungsrechtler, dass ihn das in der Fachwelt wohl eher weniger belastet.
Außerdem ist er jetzt bereits ca. 76 oder 77 Jahre alt und schon seit längeren Emeritus ... seine akademische Laufbahn ist also nicht mehr gefährtet.
Seine Beurteilung Guttenbergs (jetzt nicht der Arbeit) begründet sich u.a. auch auf Mitarbeit in den Seminaren usw ... da war Guttenberg angeblich immer unter den besten.
Hab heut Nachmittag den Auflauf für die Pressekonferenz an der Uni mitbekommen (arbeite im Rechenzentrum der Uni BT) ... hatte bei der Übertragung auf Phoenix das Gefühl einige Journalisten hätten am liebsten eine sofortige standrechtliche Erschiessung Guttenbergs und waren mit der Aussage: "es wird dennoch alles geprüft, Guttenberg entscheidet nicht ob der Titel aberkannt wird" mehr als unzufrieden. Man konnte dabei auch raushören, dass es in den Kommisionen weniger im die wissenschaftliche Aussage der Arbeit (die nach landläufiger Meinung auch geklaut ist) geht, sondern im wesentlichen nur um Zitatsfehler und es sehr genau geprüft werden muss, inwieweit diese den wissenschaftlichen Wert beinflussen.
Auf die Frage, warum die Arbeit nicht schon 2007 durch Plagiatsfinde-Software gejagt wurde, kam im wesentlichen die Antwort: Eine Doktorarbeit beruht immer auch auf einen Vertrauensverhältnis von Doktorant und Doktorvater. Anwendung solcher Software gibt es nur bei Verdachtsmomenten. Ausserdem seien vorallem im Bereich Recht die wichtigsten Quellen ohnehin nur in Buchform vorhanden oder falls doch elektronisch verfügbar so passwortgeschützt, dass diese von den Programmen nicht gefunden werden können. Im Fall Guttenberg sei es ne Arbeit im Grenzbereich Recht, Parlamant usw, so dass hier auch viele Quellen in Internet verfügbar sind ... das wäre nicht die Regel.
Und noch was, was mir vemehrt auffällt. Unter promovierten, nicht politisch verblendeten Leuten wird mehr von "handwerklichen Fehlern" bei der Arbeit gesprochen, der wissenschaftliche Wert der Arbeit jedoch nicht insgsamt in Frage gestellt. Je tiefer die Bildungsschicht, umsomehr wird von einem Gesamtplagiat ausgegangen.
Hab ich heute in der Sauna von etlichen Leuten hören dürfen. Hab geantwortet, nach eurer Argumentation muss ich meinen Titel auch zurückgeben. Mein bearbeitetes Modell stammt von Hubbard, die Slave-Boson-Theorie von Kotliar/Ruckenstein, die nachfolgende Transformation auf ein Isingmodell aus der CPA-Näherung und dessen Näherungslösung mit einer bekannten Cluster-Variationsmethode. Das das daraus entstehende Funktional so noch nie berechnet wurde und erstmals in Sattelpunktsnäherung numerisch gelöst wurde interessiert nach eurer Argumentation dann ohnehin nicht mehr (sorry für die böhmischen Dörfer) ...
Auf dem Niveau laufen viele Diskussionen ... weil Textpassage A und B geklaut sind, kann auch Schlussfolgerung C nicht von ihm sein.
Aber ich habs in nen früheren Posting schonmal gesagt, wir als Naturwissenschaftler tun uns da viel viel leichter ... wörtliche Zitate gibts so gut wie gar nicht und verwendete Methoden zitiert man ohnehin, ansonsten müßte man u.U. auch noch die mathematischen HIntergründe der Methoden beweisen. Und dann kommt noch dazu, dass 90% der Journalisten ohnehin nichts mit den Arbeiten anfangen können. Die haben so nutzloses Zeug wie Mathe und Physik schon beim Abi abgelegt.
Im Grunde ist Wissenschaft in vielen Bereichen ein großes Puzzle, das auf unterschiedliche Art und Weise zusammengesetzt werden kann. Viele Gruppen arbeiten daran, jede aus einem etwas andern Blickwinkel, in der Hoffnung irgendwann die absolut richtige Zusammensetzung zu finden. Alledings hat man das Problem, dass sehr viele Modelle, die nur Näherungen der Wirklichkeit darstellen, prinziepiell unlösbar sind ... und das ist in den Geisteswissenschaftn nicht anders als in den "exakten Wissenschaften" Mathmatik, Physik usw.
Die Uni Bayreuth kann mittlerweile wohl machen was sie will. Erkennt sie den Titel ab, hat sie der Macht der Presse nachgegeben. Wird er nicht aberkannt kommt sie ins Kreuzfeuer der Presse und des Internets und diese Hetzjagd auf die Uni hat dann möglicherwiese Auswirkungen auf Studentenzahlen oder schlimmer noch auf Drittmittel aus der Industrie oder von den Forschungsgemeinschaften. Ich möchte nicht in deren Haut stecken.