AW: Atomenergie - pro und contra
ich selbst halte was momentan abgeht für reine panikmache.
Ich überlege derzeit noch, was sich überhaupt geändert hat in den letzten Tagen. Genau genommen überhaupt nichts in Sachen Kernkraft.
Im Detail:
- es hat eine Naturkatastrophe gegeben, die zu atomaren Störfällen geführt hat
Es ist weder eine neue Erkenntnis, noch das erste Mal, dass es Störfälle durch extreme äußere Einflüsse wie Naturkatastrophen geben kann
In diesem Fall wurde anscheinend die erste Katastrophe (Erdbeben) ohne Schaden überstanden, erst die Tsunami hat die Kühlsysteme beschädigt.
- eine Tsunami kann ein AKW bedrohen/beschädigen
ist für mich auch keine überraschende Erkenntnis. Jede Schutzvorrichtung hilft nur bis zu dem Grad, für den sie konstruiert wurde.
- die Kühlsysteme sind ausgefallen
hier könnte man ableiten, dass mit Sicherheit Erkenntnisse gewonnen werden können, wie Kühlsysteme in der Zukunft standfester auf Tsunamis reagieren könnten (in Tsunami-gefährdeten Gebieten)
- Kernschmelzen etc
Es wird ständig von den großen Auswirkungen gesprochen. Eine atomare Katastrophe ist es auf jeden Fall jetzt schon, aber bisher haben die Sicherungssysteme erstaunlich gut gehalten. Dass es radioaktive Lecks gegeben hat, ist nicht verwunderlich, aber nach Erdbeben, Tsunami, allen möglichen Kühlversuchen, Wasserstoffexplosionen, Kernschmelzen (beginnend oder vollständig) ist die Auswirkung auf die Umwelt bisher erfreulich gering.
Aber auch das ist keine neue Erkenntnis, dass es bei Kernschmelzen zu radioaktiver Verseuchung kommen kann.
Fast alle Beobachtungen, die jetzt gemacht werden können, konnten in viel größerem Maße schon in Tchernobyl und teilweise auch in anderen AKWs gemacht werden. Der aktuelle Fall hat im schlimmsten Fall die halbe Größenordnung von Tchernobyl. Das ist mehr als schlimm genug, bitte nicht falsch verstehen. Aber es gibt keine Lehren, die man aus Japan ziehen könnte, die man nicht schon aus anderen Störfällen hätte ziehen können.
Die Risiken von AKWs in Deutschland haben sich nicht über Nacht erhöht, und natürlich kann durch einen Terroranschlag mit einem Flugzeug so ziemlich alles zerstört werden. So ein Flugzeug könnte aber auch in ein vollbesetztes Fußballstadion fliegen. Das sind aber alles keine Neuigkeiten.
Das Einzige, was sich geändert hat, ist die Tatsache, dass es jetzt einen atomaren Störfall erheblicher Größe mehr gibt als vorher.
Das Moratorium der Bundesregierung halte ich für gut, aber es ist klare Wahlkampftaktik dabei. Erst einmal über die Wahlen kommen, dann sehen wir weiter. Ich hoffe nur, dass man schnell von der Laufzeitverlängerung wegkommt.
Insgesamt ist es eine verfahrene Situation, in der jeder sein Süppchen kocht:
- die Regierung will nicht wegen Japan die anstehenden Wahlen verlieren und nutzt die Gelegenheit, um SPD und Grünen den Wind aus den Segeln zu nehmen
- die SPD und Grünen sehen sich bestätigt in ihrem jahrzehntelangen Wunsch nach Atomausstieg, aber auch ihr jetzt immer wieder zitiertes Gesetz hat keine sofortige Abschaltung vorgesehen. Das Risiko bleibt also auch da noch auf Jahre bestehen.
- die Atomlobby werden wir in den nächsten Tagen erleben. Nachdem sie ihr Schäfchen schon im Trockenen hatte, gibt es jetzt einen herben Rückschlag
- die Anrainer-AKWs freuen sich, wenn die Deutschen mal wieder so dumm sind, allein den Vorreiter zu spielen, dann können sie ihren Strom teurer nach Deutschland verkaufen, wenn die hauseigene Konkurrenz weg ist
Übrig bleibt der Bürger, der unabhängig von Parteivorlieben einfach nur in Sicherheit und gut mit Strom versorgt leben will. Dazu bedarf es einer Verständigung zwischen den Parteien, dass man irgendwo umweltmäßig in den sauren Apfel beißen muss. Man kann nicht AKWs wegen Risiko, Kohlekraftwerke wegen CO2, Windräder wegen Krach und Fischgefährdung usw usw ablehnen.
Oder wie es jemand kürzlich sagte: Die Grünen sind für den Eisenbahnverkehr, nur die Bahnhöfe lehnen sie ab...
Deshalb denke ich, dass wir ein wenig Zeit brauchen werden, um zu sehen, wie es in Japan weitergeht, und um für uns festzulegen, wie viel Risiko wir wie lange tragen wollen. Und welche Einschränkungen wir ggfs in Kauf nehmen würden, wenn AKWs abgeschaltet werden, ohne dass alternative Energiequellen in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen.