Heute auch den Camaro gefahren. Eindruck: na ja.
Ob er äußerlich gefällt oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Immerhin ist das Auto so attraktiv, dass meine Frau ensthaftes Interesse angemeldet hat. Gelegentlich wurde hier im Forum über die "kleinen Vierzylinder", die sich im Motorraum des E 89 verlieren, gelästert. Der Camaromotor ist etwas größer, aber nicht viel. Dafür ist die Konservierung der Oberflächen so hochwertig, dass offenbar der Seetransport des ansonsten brandneuen Vorführers ausreichte, diese in einen vergleichbaren Zustand wie den Motorraum unseres E46 mit knapp 8 Dienstjahren zu versetzen. Das Aluminium blühte schon kräftig. Wie es mit Unterbodenschutz und Hohlraumversiegelung aussieht (ab Werk keine Stärke der US-Hersteller), konnte mir der Verkäufer nicht sagen.
Der Fahreindruck war gemischt. Souveränes Gleiten und ordentliche Beschleunigung in jeder Lebenslage entsprachen der Erwartungshaltung. die Papierwerte konnte ich jedoch nicht nachvollziehen. Richtig Druck ab 3500 U/min kann ich bestätigen, aber der Motor ist leider nicht wirklich drehfreudíg und muss in diesen Bereich gezwungen werden. Auf der Autobahn würde ich dann bei Geschwindigkeiten über 150 km/h auch nicht mehr von Souveränität sprechen. Er beschleunigt ordentlich, mehr nicht. Der Boxster mit der halben Leistung kann das besser, der 35i ist eine andere Welt. Der Wagen hatte allerdings die Serienabgasanlage und war auch ansaugseitig nicht modifiziert. Das LKW-artige Anlassergeräusch hat was, aber dann? Der Motor klingt eher brav, nur unter Last wird er für einen V8 angemessen rotzig, leider in Verbindung mir einem unsauberem Schnarren. Über das Drehzahlband und die verschiedenen Lastzustände bieten Boxster und Z4 im Serientrimm auf ihre jeweils eigene Art mehr. Die Sorge, dass die Antriebsräder mit dem Drehmoment überfordert sein könnten, war nicht begründet. Ein ESP-Einsatz war nur unter Gewalt bei nasser Straße zu erzwingen. Vielleicht bin ich da turboversaut, aber der Z4 hat mehr Druck und der Porsche wie Z4 drehen williger hoch.
Die extrem kurzen Schaltwege sind mehr Show als Nutzen, Da der Motor Drehzahlsprünge nicht unterstützt, sind beim Einlegen der Gänge Sorgfalt und eine feste Hand gefragt. In Verbindung mit der nicht sauberen Hebelführung in der Schaltgasse wäre mehr Weg zielführender und die Dauer des Schaltvorgangs nicht länger. Die Kupplung ist gut zu dosieren und angesichts des Motordrehmoments wider Erwarten leichtgängig.
Das Fahrwerk hat Chevrolet gut hinbekommen. Das geht als Sportlimousine durch, ist straff bei gutem Restkomfort. Auch auf Kopfsteinpflaster der schlechteren Art hat nichts gerumpelt oder geklappert. Die Bremsen funktionieren sehr gut. Der Kompromiss zwischen Dosierbarkeit bei leichtem Bremsen (Schwäche Boxster) und knackigem Druckpunkt (Schwäche E89) ist sehr gut gelungen. Das würde ich glatt in meinem Auto einbauen. Bei engeren Kurven ist es mit dem sportlichen Anspruch schnell vobei. Das Auto lenkt fast zu leicht ein, aber auch die montierten Pirellis können die Vorderauchse bei forscher Gangart nicht halten (in der Situation kam mir ganz spontan Gimmigen in den Sinn, aber auch der serienmäßige E89 hatte da deutlich mehr Reserven)
Die Ausstattung ist angesichts des Preises im Vergleich zu deutschen und sonstigen Anbietern bemerkenswert. Die blaue Instrumentenbeleuchtung in leicht grellem Farbton muss man mögen. Das Head-Up-Display ist meine Sache nicht. Ebenfalls in hellem Blau leuchtend fand ich die sehr störend. Wie das des Nachts aussieht wäre zu prüfen. Die Klimaanlage wird nicht automatisch geregelt. Das ist nicht so tragisch. Dass sie bei Außentemperaturen um die 26° und bewölktem Himmel schon am Anschlag lief, schon eher. Sitzposition, Gestühl und Ergonomie sind für eine durchschnittlichen Nordeuropäer und die dazu passende Partnerin gut passend.
Die Übersichtlichkeit ist schlecht, insbesondere die A-Säule stört doch sehr. Die Rückfahrkamera ist ganz nett, aber das Display im Rückspiegel bei leichter Sonneneinstrahlung nicht mehr zu erkennen. Der Kofferraum ist für ein Auto dieser Größe mit Blick auf den Einsatzzweck ausreichend. Die hohe Ladekante in Verbindung mit der ungünstig gestalteten Öffnung eher Murks. Golfspieler müssen erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass sie ihr Equipment wie im 911 besser auf die Rücksitze wuchten und sind dann vielleicht bei 4,8m Fahrzeuglänge enttäuscht. Meine Frau spielt Golf.
Fazit: Das Auto ist unter den Pony-Cars ein faires Angebot. Godzilla haust gefühlt aber nur im Prospekt, nicht unter der Motorhaube. Und genau da hätte das Monster sein müssen, um meine Frau vom Boxster zu trennen und die erheblichen Betriebskosten zu rechtfertigen (Inspektion/Ölwechsel jährlich, Steuern 562€, Versicherungseinstufung HP16, TK26, VK30, Verbrauch ca. 15L).
Sollten wir mal Platz und Zeit für ein weiteres Fahrzeug haben, wäre das durchaus eine Option. Wenn es dann doch nicht eher ein alter US-V8 wird, bei dem sich das Blubbern des Motors mit dem Glucksen der Brenzinleitung zu einem von modernen Autos nicht mehr zu realisierendem Wohlklang vereinen. Auch nicht mit 8 Zylindern.