Hallo Zusammen,
Ihr habt irgendwie alle recht - aber so extrem teuer sind die Nespresso-Kapseln dann doch nicht. Zumindest wenn man objektiv vergleicht.
Ich kann mir dies anmaßen, da ich als "berufsbedingter" Kaffee-Junkie (Stichwort: IT-Branche) beide Systeme nutze: Nespresso (in der Arbeit) und professionelle Siebträger-Espressomaschine privat (wenngleich ich auch privat noch eine kleine Nespresso Pixie im Home-Office Büro nutze).
Zugegeben, billig ist das Nespresso-System mit 0,35 - 0,45 € pro Kapsel nicht und die Ökobilanz ist auch suboptimal, aber wer meint, dass er mit den meisten "Billigkapselanbieter" á la Liedl & Co. besser wegkommt, irrt - denn diese sind bis auf wenige Ausnahmen immer wieder mal nicht richtig kompatibel (da funktionieren immer wieder einzelne Kapseln nicht richtig, da diese konstruktiv vom Nespresso-System abweichen) und subjektiv habe ich für mich bis auf Gourmets noch keinen alternativen Hersteller gefunden, den man auch nur ansatzweise hätte genießen können (fast alle schmecken echt grausig).
Was beim Nespressosystem überzeugt, ist die extrem einfache Handhabung (jeder Dummy kommt damit problemlos ohne große Anleitung klar) und das quasi immer gleichwertige Ergebnis (es muss nicht auf Luftfeuchtigkeit, Mahlgrad, wie stark getempert wurde, Blühtemperatur, usw. geachtet werden), welches selbst für echte Kaffe-Junkies auf einem immer guten 90-95% Niveau bewegt. Nachteil: wer bei den Nespressosorten durch ist, tut sich schwer, wirklich gute Abwechslung zu finden, die Ökobilanz ist miserabel, die Kapseln sind vermeintlich teuerer und ein 100% Ergebnis kann damit niemals erreicht werden (Bezogen auf einen optimalen Espresso in allerhöchster Qualität, leicht ölige Konsistenz mit schöner Crema, nicht bitter und mit nicht zu viel Säure. Für Mischkaffeegetränke á la Cappuccino usw. muss ich nicht den allerhöchsten Aufwand betreiben).
So, jetzt muss aber der Vergleich mit einem guten Espresso-System konventionell gebrüht herhalten. Hier ist der Anschaffungspreis einer wirklich guten Espressomaschine mindestens ab € 500,- anzusetzen, meist deutlich über € 1.000,- und der Energieverbrauch liegt auch erheblich über einer Nespresso-Maschine. Dann kommt noch das zwingend benötigte Zubehör hinzu - eine wirklich gute, brauchbare Kaffeemühle beginnt bei ca. € 300,- (liegt aber meist im Bereich von € 500,-), Tamper, Sudschublade (oder Abklopfkasten), usw. kommen noch hinzu. Ich führe hier bewusst nur den Bereich einer guten Siebträgermaschine auf, weil mir keinerlei guter Vollautomat (und ich habe fast alle gängigen Hersteller bis zum Semi-Prof.-Bereich durchprobiert) bekannt ist, wo das Ergebnis passt (möchte aber damit keine Diskussion lostreten, da dies immer subjektiv vom eigenen Geschmacksempfinden und Anspruch abhängt).
Dann ist da noch das Thema Kaffeeröstung: ein wirklich guter Kaffe als Espresso-Röstung (und ich spreche da nicht von profaner Allerweltsware á la Segafredo, Lavazza & Co.), sondern von wirklich guter Bohnenqualität kleiner Röstereien, welche nach dem langsameren Thermotrommelverfahren in guter traditioneller Handwerkskunst rösten.
Deshalb fällt auch die gemahlene Ware weg, weil diese sehr häufig industriell (schnell geröstet) hergestellt wurde und die richtig gute Espressoqualität nur mit absolut frisch gemahlenem Kaffee erreicht werden kann. Da liegt die Ware bei einem Kilopreis von ca. € 20 - 38,-.
Setzen wir als etwa € 30,- für das Kilo als Durchschnitt an und nehmen als Wert aus der Praxis eine Füllmenge von ca. 12 Gramm pro Espressotasse im Siebträger, dann erhält man aus dem Kilo Bohnen ca. 84 Tassen - dies entspricht dann etwa einem Wert von € 0,36 pro Tasse. Wenn man nun noch berücksichtigt, dass der Anfangsinvestitionsaufwand im Vergleich exorbitant hoch ist und dies auf ein Kapselsystem wie Nespresso (nur als Beispiel) umlege, dann kann ich aber extrem lange täglich durchschnittlich 10 Espressi Kreuz und quer trinken, bis ich auch nur annähernd wirtschaftlich mit dem Kapselsystem schlechter fahre.
Nachteil der wirtschaftlichen Betrachtung: hiermit wird man NIEMALS die echte TOPQUALITÄT erreichen und genießen können.
Resümee: beide Systeme haben ihre Daseinsberechtigung und sind objektiv betrachtet nicht unwesentlich günstiger oder teurer. Beide Systeme finden ihre Anhänger und es gibt sicherlich je nach eigenem Anspruch noch viele Zwischenschattierungen (im Genuss und in den Kosten), je nach eigenem Gusto...
Übrigens, mein Profil eines Kaffeetrinkers ist ausschließlich der Espresso-Genuss und weil wir schon beim Genuss sind, dann interessiert mich auch nicht wirklich, was das kostet (und ich trinke durchschnittlich jeden Tag immer zwischen 5 und 15 Espressi). Wenn ich dagegen in Betrachtung ziehe, zu einer wirklich guten Erpressobar zu gehen (wenn man das Glück hat, dass eine wirklich qualitativ hochwertige Cafébar mit einem fähigen Barista und guter Kaffeequalität in Reichweite ist und den zeitlichen Aspekt mal komplett ausser acht lässt), dann zahle ich pro Espresso auch zwischen € 1 bis 1,80...
Dies nur mal so als Denkanstoß über den Tellerrand betrachtet.