Nur mal kurz und "nebenbei": Das stimmt nun wirklich überhaupt nicht. Im Gegenteil tut der Staat hiesig sehr viel für die Arbeitnehmer. Wer Arbeitgeber ist, der merkt das jeden Tag und auch als Arbeitnehmer sollte man sich ruhig mal bewusst werden, wie komfortabel man hierzulande im internationalen Vergleich dasteht.
Mittel- bis langfristig wird sich das ändern (müssen), weil der Standortnachteil der Bundesrepublik immer eklatanter wird. Genieß' die Zeit bis dahin vielleicht eher ...
Also, ich rate jedem der vielen "Meckerer" in diesem Land ja gerne, dass er, wenn es ihm hier nicht passt, einfach seine Sachen packen soll und wo hingehen soll, wo es besser ist. Das "Erstaunliche": Keiner geht.... alle bleiben und meckern munter weiter. Woran das wohl liegt? Vielleicht gibt es doch nicht so viele Ort auf diesem Planeten, wo es so viel besser ist und vielleicht ist es hier, trotz allem Gemeckere, doch nicht so schlecht?
Allerdings ist das mit dem "der Staat tut so viel für Arbeitnehmer" ist so eine zweischneidige Sache. Mal ganz neutral betrachtet tut unser Staat v.a. was fürs 'Kapital'. Es ist nach wie vor eine Umverteilung zu sehen von unten nach oben. Vieles, was sich Reiche in die Tasche stecken, wurde von Leuten erarbeitet, die deutlich 'unter Wert' arbeiten (müssen). Und wirklich 'gerecht' ist es z.B. auch nicht, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinserträge, Aktiengewinne, etc.) deutlich geringer besteuert werden, als Einkünfte, die man mit 'realer' Arbeit erzielt. D.h., wenn ich z.B. schon so reich bin und von meinen Kapitalerträgen leben kann, muss ich, auch wenn es noch so viel ist, nur die 25 % 'Abgeltungssteuer' zahlen (+ Soli und ggf. Kirchensteuer). Der Spitzensteuersatz für Einkünfte 'realer' Arbeit liegt aber bei 42 %. Davon kann man halten, was man mag ... aber faktisch ist es eine Bevorzugung von Kapital. Eigentlich nicht einzusehen, dass Leute, die nichts zu diesem Gesellschafts- & Wirtschaftssystem beitragen, auch noch steuerlich begünstigt werden.
Natürlich gibt es jede Menge Regelungen und Errungenschaften des Sozialstaates, um die uns viele in anderen Ländern beneiden. Aber ganz so ist es nicht, dass das bei uns ausufernd wäre und wir somit wegen eines 'Standortnachteils' was ändern müssten. Die Produktivität hierzulande ist in vielen Bereichen extrem gut, was ggf. höhere Lohnkosten locker wettmacht. Es muss sich was ändern, aber mehr wegen demografischen Gründen. Die allseits unbeliebte 'Agenda 2010' der Regierung Schröder hat uns schon einiges vorweggenommen, was um uns rum bei unseren Nachbarn erst noch kommen wird - z.B. in Frankreich oder Italien. Das wird dort noch große soziale Probleme geben und geht sicher nicht so 'smooth', wie bei uns damals.
Back to Topic: Bei mir sind es, wenn's regulär geht, noch gut 15 Jahre bis zur Rente. Ich vermute, ein bisschen was werde ich vom Staat noch bekommen. Aber da schon abzusehen war und ist, dass das schon nicht mehr so üppig sein wird, habe ich auch vorgesorgt (auch, weil ich Kids und teure Hobbys habe...). Vorteil meinerseits: Bereits meine Eltern haben dafür gearbeitet, dass es 'die Kinder mal besser haben'. So konnte ich ohne zu große Einschränkungen ein Mehrfamilienhaus bauen - ein großes für die Familie und zusätzlich noch 2 Mietwohnungen mit rein. Das wird auch etwa mit Beginn des Rentenalters abbezahlt sein. Ähnlich ist es bei meiner Frau... auch da haben die Schwiegereltern immer viel gearbeitet und erspart. Ich hoffe, dass sie noch möglichst lange gesund bleiben und leben. Aber da fällt später dann auch nochmal was an. Somit sollten die finanziellen Mittel für diverse Hobbys und Wünsche gesichert sein und auch noch genug bleiben, um die Kids gut unterstützen zu können. Wie gesagt - sofern alles nach Plan läuft, die Gesundheit, die Firma und der Job und das Glück es erlauben.
Meine Arbeit hat mir bisher im Großen und Ganzen auch Spaß gemacht. Mal bisschen mehr, mal etwas weniger. Da stehe ich sicher eher auf der Sonnenseite. Es ist aber traurig und v.a. auch für unser Gesellschaftssystem bedenklich, wenn es für die Mehrheit nicht (mehr) so geht, denn dann bricht das System irgendwann zusammen. Es kann nur existieren und funktionieren, solange es genügend Leute gibt, die dazu beitragen. Wenn es für mehr und mehr nicht mehr machbar oder/und attraktiv ist oder die Bereitschaft dazu verloren geht und die Leute nur noch das Ziel haben, möglichst ohne Arbeit durchs Leben zu kommen, dann knallt es früher oder später. Das kann sich eigentlich keiner wünschen, denn was dann kommt, ist sicher nicht besser. Von daher kann man nur an alle appellieren, sich sinnvoll in die Gesellschaft einzubringen und nicht nur den kurzfristigen Egotrip zu fahren. Also doch so ein bisschen was von "Frage nicht, was die Gesellschaft für Dich tun kann, sondern, was Du für die Gesellschaft tun kannst."
Andererseits kann ich so langsam verstehen, dass man irgendwann die Lust an der Arbeit verliert und nicht mehr kann. Kenne genügend in meinem persönlichen Umfeld, denen in ihrem Job übel mitgespielt wird. Gerade und speziell in großen Firmen, typischerweise großen DAX-Konzernen, ist der 'kleine Angestellte' oft nur noch Spielmasse. Die Anforderungen steigen und steigen und jeder 'head count' ist nur noch eine Belastung in der Bilanz, wenn es darum geht, die Aktionäre glücklich zu machen. Echt traurig anzusehen, was aus der eigentlich guten Idee der 'Aktie' zur Finazierung von Unternehmen und Beteiligung & Motivation der Mitarbeiter inzwischen geworden ist. Honoriert wird nicht mehr das Vertrauen in ein Unternehmen und das langfristige Investment, sondern nur noch der schnelle Reibach. Handel im Sub-Sekundenbereich mit irgendwelchen Finanz-Kostrukten, die kaum noch jemand durchschaut. Und wenn die AGs nicht mit allen Mitteln (darunter immer wieder gerne, Stellen abzubauen - d.h., Leute zu entlassen) ihren Aktienkurs hoch halten, dann werden sie zu potentiellen Übernahme-Kandidaten. Ähnliches sehe ich gerade in der Fa., wo meine Frau arbeitet. Ein großer deutscher DAX-Konzern, eine 'Perle' der Industriegeschichte, international angesehen, in manchen Bereichen Weltmarktführer und früher sehr mitarbeiterfreundlich und sozial (nein, nicht Siemens). Aber seit einigen Jahren geht es damit bergab. Nur noch fressen und gefressen werden. Ein paar neue Manager haben sich diesen Konzern als Spielwiese für Ihre gierigen Höhenflüge ausgesucht und den gesamten Konzern zum Spielball der Finanzmärkte gemacht. Aktuell sind die Zahlen nicht so top. Zwar immer gutes Wachstum, aber ein schlechtertes Verhältnis der Rendite pro Mitarbeiter als ein eigentlich deutlich kleinerer, ausländischer Wettbewerber. Was ist das Ergebnis? Der Aktienkurs ist relativ schlecht, der des Wettbewerbers gut (der saugt seine MA noch gnadenloser aus, was die Aktionäre honorieren...). Somit ist dessen Börsenwert plötzlich höher und man läuft gerade massiv Gefahr, gefressen zu werden.
Meine Frau arbeitet dort im Personalmanagement und darf die ganzen Übernahmen und die damit verbundenen Stellen-Streichungen mit vorbereiten - samt Verschwiegenheitserklärung den eigenen Mitarbeitern und dem Betriebsrat gegenüber. Eine super angenehme Arbeitssituation! Mit etwas Glück bleibt die Zentrale dann in Europa - geht aber vermutlich nach London. Tausende Stellen werden verloren gehen, auch in strukturschwachen Regionen. Und alles nur wegen so paar gierigen Geiern.
Mit etwas Glück kann diese Mega-Fusion noch mit Kartellamt und Politik verhindert bzw. zumindest verzögert und abgemildert werden.
Aber Spass macht sowas dann nicht mehr.
Allen trotzdem ein Gutes Neues Jahr 2017!
Rudi