AW: DSP bei 240km/h und blanke Panik
hi
kann man das dahingehend interpretieren, dass durch das starke bremsen das gewicht auf die vorderräder kommt und so das auto stabilisiert? das würde auch erklären, warum du meinst, voll vom gas gehen / schwach bremsen würde den gegenteiligen effekt haben: du hast kein gewicht auf den hinterrädern, ausserdem blockieren sie durch das sachte bremsen oder vom gas gehen, verlieren so die traktion und lassen das heck ausbrechen... kann man das so sehen?
gruss
nicola
Hallo Leute,
da hier nun immer abenteuerlichere Theorien gewälzt werden und es um Sicherheitsfragen geht, versuche ich ein wenig einfache nachvollziehbare Fakten einzubringen.
Zur Info warum ich mir das anmaße: Ich habe die Ausbildung zum Fahrtechnikinstruktor bei Test & Training gemacht und die machen auch in D die Trainings für den ADAC, Nürburgring, etc. Der Typ der uns das gelernt hat, fährt im Drifttaxi M5 jede Kurve nur im Drift den Nürburgring rauf und runter, wird also nicht die schlechteste Quelle sein.
1.) Es ist richtig wie tw. gepostet, dass bei voll am Gas gegen den Luftwiderstand ankämpfend Antriebskräfte in Längsrichtung auf dem Reifen wirken, je schneller desto größer der Luftwiderstand, das merkt ihr schon wenn ihr bei Höchstgeschwindigkeit vom Gas geht, weil da bremst neben dem Motor auch der Luftwiderstandb deutlich mit.
2.) Warum man aber in Kurven keinesfalls aus Jux und Tollerei vom Gas gehen sollte ist, durch die "dynamische Achslastverschiebung" begründet:
Wenn man vom Gas geht oder bremst verlagert sich das Fahrzeuggewicht zu einem größeren Anteil auf die Vorderachse, die Hinterachse wird entlastet.
Das gilt bei jedem Fahrzeug egal welche Achse angetrieben wird.
Wenn man Gas gibt wird die Hinterachse mehr belastet, deshalb haben beim Beschleunigen Hinterradantriebler mehr Traktion als mit den Vorderrädern scharrende Fronttriebler, nicht mehr und nicht weniger, das ist Grundlage.
Das Problem ist aber bei jedem Fahrzeug immer eine entlastete Hinterachse.
Bei gerader Strecke ohne Glatteis, Schnee oder Nässe mit abgefahrenen Reifen, wird das nicht oft zum Problem werden.
Wenn man aber die oben angeführten Faktoren hat auch bei niedrigen GEschwindigkeiten, oder wie der Kollege bei über 200km/h, mit 6000 U/min in einer Kurve, wo die Räder ohnehin schon Seitenführungskräfte übertragen müssen, unvermittelt vom Gas geht, damit die Hinterachse entlastet durch die schlagartig gleichzeitig einsetzende Motorbremswirkung ein ausbrechendes Heck provoziert, kann man gleich Selbstmord begehen wenn man nicht nochmal gerade von vielleicht installierten Sicherheitssystemen (ESP) vom Sensemann bewahrt wird.
Um ein entlastetes, schleuderndes Heck zu stabilisieren ist folglich augenblicklich die Kupplung zu treten, gleichzeitig vom Gas gehen schont nur den Motor, hat aber keine Auswirkung auf das Problem schleudern. Durch das Kupplungstreten wird die Achslastverteilung wieder neutralisiert, also auf den vom Fahrzeug abhängigen Ruhezustand in Längsrichtung gebracht. Die Seitenführungskräfte durch die Kurvenfahrt wirken natürlich immer noch auf das noch fahrende Fahrzeug.
Wenn ein Kollege schreibt Vollbremsung in einer Kurve so ist dies ebenfalls nur dann das Beste, wenn man einen Unfall nicht mehr verhindern kann und ergo Aufprallenergie im Vorfeld vernichten muss. Dann bitte voll in die Eisen bis zum Bodenblech. Wenn man aber nur ein Fahrzeug stabilisieren will, ist aus Sicherheitsgründen auskuppeln das bessere Mittel, in Kombination mit bedarfsgerechten Gegenlenken. Diesen Feeling dazu, lernt man in einem Fahrischerheitstraining, würde es dringend empfehlen (Keine Sorge bin nicht mehr bei dem Verein, hab also kein kommerzielles Interesse daran).
Nicht jedes Fahrzeug hat ABS, was wie wir wissen ein blockieren der Räder beim Bremsen verhindert: Ohne ABS würde jedes lenkende Auto bei einer Vollbremsung wie ein Pfeil gerade aus der Kurve fliegen.
Mit ABS hat man den Vorteil im Gegensatz zu ohne ABS, auch in einer Kurve moderat zu bremsen und nicht gleich geradeaus wegen blockierter Räder aus der Kurve rauszufliegen. ABER: Bremsen hat den nachteiligen Effekt der oben beschriebenen entlasteten Hinterachse ist also für ein schleuderndes Heck verantwortlich.
Die heutigen Fahrzeuge sind zur Vermeidung von ausbrechenden Hecks, generell eher untersteuernd ausgelegt: Heißt wenn man zu schnell in eine Kurve fährt, schiebt man eher geradeaus über die Vorderräder aus der Kurve, als das das Heck ausbricht.
Sportliche Fahrzeuge wie der Zett sind aber eher neutral bis übersteuernd ausgelegt: Heißt das Heck bricht etwas leichter als beim untersteuernden Fahrzeug aus, was ja viele sportliche Fahrer zum mitlenken einsetzen wollen, wenn sie es können.
Wenn man aber das Heck über die Maßen entlastet (Gas weg bei hoher Drehzahl) kommt auch bei diesen KFZ das Heck...
Wenn jetzt Rennfahrer unter Euch sagen, ja aber mit Können......vielleicht kann man, aber hier sind nicht nur erfahrene Rennfahrer und alle anderen sollten erst verstehen lernen was die Physik mit uns in den Kisten macht, bevor sie sich auf eigene Verantwortung um den Baum wickeln.
Auch der Kammsche Kreis ist ein probates Mittel das näher zu bringen, Jokin weiß eben wovon er schreibt.
Man sieht daran einfach, dass jeder Reifen nur eine beschränkte Anzahl an Kräften gleichzeitig in Längs (Bremsen, oder Beschleunigen) und Querrichtung (Lenk- Kurvenkräfte) übertragen kann.
Plastisches Beispiel: Einen Donut kann man nur deshalb ziehen, weil man mit der Antriebs- und Seitenführungskraft den Reifen überfordert -> Ergebnis das Auto zieht einen Kreis mit der Hinterachse.
Wie der von mir als Experte geschätzte Jokin geschrieben hat, alle Hilfssysteme wie ESP und ABS sollen nur eine Backup für den normalen Fahrbetrieb sein, um uns in Notsituationen wie plötzlich auftretende Straßenglätte oder Ölspuren einen Sicherheitspolster zu geben. Wer aber sehenden Auges unbedingt die von der Physik gesetzten Grenzen überwinden will, hat da was falls verstanden.
Bitte nicht falls verstehen, aber wir haben ja auch eine Verantwortung für nicht so erfahrene Forenleser...Nix für ungut,
Marko