AW: Formel 1 Saison 2006
Sorry, nach meiner Meinung geht ein Teil der Diskussion am Thema vorbei.
Die Frage objektiver und lückenloser Regelwerke ist ziemlich unerheblich (wie übrigens auch im Fussball). MS wird in einem Business exzellent dafür bezahlt, dass er a) schnell einen F1-Wagen fährt und hilft weiterzuentwickeln und b) innerhalb der Spielregeln dieses Geschäftes eine besonders öffentlichkeitswirksame (und vor allem authentische) Show abliefert, die seinen Finanziers maximalen Nutzen abliefert.
Sonst gar nichts. Und es ist völlig unerheblich, ob der privat ein netter Kerl ist oder nicht - das ist nur insoweit interessant, ob es durch "gezielte" Indiskretion zu b) beiträgt oder nicht. (Wir haben wohl alle über die Jahre mitverfolgen können, wieviel Aufwand man getrieben hat, einem begnadeten und disziplinierten Rennfahrer ein paar weitere Dinge beizubringen - auch wenn seine hölzernen Interviews in gestelztem Englisch wohl kaum je besser werden ...)
zu a)
MS steht als wahrscheinlich - "gesamtheitlich" gesehen - bester F1-Rennfahrer noch ausser Zweifel. Hat er mit seiner einmaligen Aufholjagd nach Boxenstart am Wochenende eindrücklich belegt. Seine Disziplin, seine Ausdauer, sein taktisches Verständnis - da sehe ich im Vergleich erst mal lange gar nichts. Hat nichts damit zu tun, dass die Leute in diesem Business wohl alle "schnell" fahren können. aber das alleine reicht nicht.
zu b)
In dem Teil der Veranstaltung wirds ein bischen komplizierter. Eine "etwas kalkulierte" Unfairness gehört zu diesem Sport genau wie zu Boxen oder Fussball, selbst beim Golf gibt es unfaire Mätzchen. Deswegen ist auch die Diskussion um Regelwerke akademisch und bringt nichts. Entscheidend ist, wie die geneigte Öffentlichkeit reagiert - und dazu gehören, und zwar gewollt (!) die Medien als Allererstes und Wichtigstes dazu.
MS wurde vom Image her immer als der über den Dingen stehende Perfektionist platziert. Obwohl er schon ein paar wohldokumentierte, ausgesprochen unfaire und unsportliche Attacken in der Vergangenheit geritten hat. Gerade weil er so gut ist, nimmt man ihm das so übel ... so funktioniert die (ich wiederhole bestens bezahlte) Medienfigur. Über einen Sato mit der gleichen Geschichte wäre kaum ein Wort verloren worden. Kein Grund, das dem MS persönlich übelzunehmen (was ohnehin niemandem zusteht), sondern ein Beleg dafür, dass er mit seinem Ausraster vom Samstag eben doch ein Mensch und kein dressierter Affe ist.
Wie wird vergleichsweise ein Räikkönen platziert: der schweigsame wie unbeugsame Wolf (der auch - wohldosiert selbstverständlich - seine Last mit Regeln hat ...), der kann dauernd Rennen verlieren, Pech haben usw., die mediale Lichtgestalt funktioniert.
Oder, das ungebrochene Image eines Häkkinen oder Salesi funktioniert noch immer, obwohl sie längst Mittelmass in der Zweitklassigkeit sind. Oder umgekehrt: der nette Fisichella liesse sich so toll vermarkten, allein, es hapert mit seiner fahrerischen Leistung (wie auch bei den Japanern).
Mein Fazit: Es geht nicht um das fahrtechnische Regelwerk der F1 und dessen Beachtung (a), sondern die Einhaltung der Regeln des Business (b) - was rechtfertigt den Unterschied zwischen 1 Mio. und 50 Mio. Salär in diesem Zirkus? MS hat mit dieser Aktion am Wochenende wohl seinen bevorstehenden Rücktritt eingeläutet. Nicht, weil er kein exzellenter Rennfahrer mehr wäre, sondern weil Einkommen und medialer Output (trotz der phantastischen Leistungen in der Vergangenheit) längst nicht mehr zueinander passen.