Wie gesagt habe ich den heutigen Prozesstag vor Ort verfolgt. Erwartungsgemäß war das Publikumsinteresse groß und der Saal mit 100 Besuchern vollbesetzt. Als Nebenkläger waren auch die Elternpaare beider Getöteten anwesend.
Die Verlesung der Anklageschrift ergab naturgemäß nichts Neues, aber nochmal zur Erinnerung, sie geht von einer Ausgangsgeschwindigkeit von 160 - 165 und von einer Aufprallgeschwindigkeit 100 - 110 km/h aus.
Der Angeklagte, ein Kfz-Mechatroniker in Ausbildung mit Olaseku-Frisur, wird sich erst später zur Person und zur Anklage äußern und hatte deshalb heute eine stumme Rolle, die Verteidigung hielt ein Eingangsstatement. Ihr bisher gegenüber der Justiz nicht in Erscheinung getretener, seit einem halben Jahr inhaftierter Mandant trage schwer an seiner Schuld, der Mordvorwurf aber werde entschieden zurückgewiesen. Sie bat das Gericht unter Verweis auf das Alter des Angeklagten (es handelt sich ja um eine Jugendstrafkammer) um ein faires Verfahren und die Vermeidung einer Exempelstatuierung.
Ansonsten wurden diverse Zeugen gehört, allen voran der Beifahrer, der trotz einer Anreisedauer von ca. 20 Minuten per ÖNV seinen Ankunftstermin zunächst um eine Stunde später als geladen ankündigte, wofür die Verhandlung für eine halbe Stunde unterbrochen wurde, um das danach wieder zusammengetretene Gericht weitere 15 Minuten warten zu lassen.
Sein klassisches staccato-artiges "Türken-Deutsch" führte zu einigen Verständnisproblemen und Übersetzungsbedarfen seitens der Vorsitzenden, die bspw. lernen musste, dass "krank" so etwa die positivste mögliche Beschreibung eines F-Type ist.
Die Vernehmung ergab, dass ihn selbst schnelle Autofahrten allerdings überhaupt nicht interessieren ("Wenn der nur 10 km/h gefahren wäre, wär das auch OK gewesen"), er besitzt auch keinen Führerschein, und er den Angeklagten um die Mitfahrt nur gebeten hat, weil ihm gegen 23:30 langweilig und er auf die Idee gekommen war, ein "krasses" Video von der Fahrt zu machen und sich damit auf Instagram zu profilieren.
Er will dann auf der Fahrt "was mit seinem Handy gemacht haben", (weshalb er auch den Unfallhergang nicht vollständig beschreiben konnte), konnte sich aber auch auf mehrfache Nachfrage nicht erinnern, ob dies ein Video oder etwas Anderes war. Auf seinem Handy wurde später nichts Entsprechendes gefunden, da er das vor dem Einsteigen vom wartenden Jaguar gemachte Video, ebenso wie ein anderes, von dem er sich aber nicht mehr erinnern konnte, ob es sein eigenes von der Fahrt oder irgendein anderes, was ihm jemand geschickt hatte, war. Das geht wohl auf die Aufforderung des Angeklagten, dem man sein Handy nicht sofort abgenommen hatte, an diverse Kumpels, alle Videos von dem Abend (so auch ein von ihm selbst stolz verteiltes von seiner BAB-Fahrt mit 274 km/h - wohlgemerkt: selbst gefilmt!) zu löschen.
Diese Einlassungen waren also insgesamt durchweg unglaubwürdig, was die Vorsitzende ganz offensichtlich auch so empfand.
Danach folgten weitere Zeugen, u. a. der entgegenkommende Linksabbieger, dem der Angeklagte ausgewichen war.
Im Übrigen gibt der von
@InXS verlinkte Focus-Artikel eine recht gute Zusammenfassung des ersten von zunächst 16 angesetzten Verhandlungstagen.